Deutsche Tageszeitung - EU setzt trotz Zeitdrucks weiterhin auf eine Einigung mit Großbritannien

EU setzt trotz Zeitdrucks weiterhin auf eine Einigung mit Großbritannien


EU setzt trotz Zeitdrucks weiterhin auf eine Einigung mit Großbritannien
EU setzt trotz Zeitdrucks weiterhin auf eine Einigung mit Großbritannien

Nach dem gescheiterten Einigungsversuch in den Brexit-Verhandlungen setzen die EU und die britische Regierung weiterhin auf eine Einigung. Zugleich verstärkte die Kommission in Brüssel nach eigenen Angaben die Vorbereitungen auf einen Austritt Großbritanniens im März ohne Vereinbarung. Die britische Premierministerin Theresa May verteidigte ihre Brexit-Strategie vor dem Unterhaus und betonte, ein Abkommen sei immer noch "erreichbar". Aus Dublin hieß es derweil, dass eine Einigung frühestens im kommenden Monat realistisch sei.

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May beteuerte, "dass ein ausgehandeltes Abkommen das beste Ergebnis für das Vereinigte Königreich und die EU ist". Beide Seiten hätten zuletzt "wirkliche Fortschritte" erzielt. Niemand könne einen Brexit ohne Abkommen wollen, sagte sie. Jedoch beharre Brüssel auf einem "Sicherheitsnetz" für die Grenze zwischen der Republik Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich weiterhin zuversichtlich mit Blick auf die Verhandlungen. Allerdings sei in der derzeitigen Lage "sehr viel Fingerspitzengefühl" nötig, sagte sie in Berlin. Es sehe nun wegen Differenzen über die irische Grenze "eher wieder etwas schwieriger aus".

Auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bemühte sich darum, Zuversicht zu verbreiten. "Ich glaube an die kollektive Intelligenz, ich glaube dass wir vorankommen können", sagte er.

EU-Ratspräsident Donald Tusk appellierte in einem Brief an die Mitglieder des Europäischen Rates, "hoffnungsvoll und entschieden zu bleiben". Er warnte aber zugleich, ein Szenario ohne Abkommen sei "wahrscheinlicher denn je".

Dass am Sonntag anders als erhofft kein Durchbruch erzielt wurde, war auch Thema beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg. Das Scheitern sei "frustrierend und enttäuschend" gewesen, sagte der irische Außenminister Simon Coveney. Er halte eine Einigung "weiter für möglich", diese werde nun aber "etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, als viele Menschen gehofft hatten".

Er forderte, dass die britische Regierung der von der EU verlangten Auffanglösung für die Grenze zwischen Irland und Nordirland zustimmt. "Wir wollen ein Ergebnis sehen, das die Nerven beruhigt", sagte er. Der von der EU vorgeschlagene Nordirland-Plan sei nur eine "Absicherung".

Der britische Außenminister Jeremy Hunt betonte, die Verhandlungen seien "in einer schwierigen Phase". Es dürfe aber nicht vergessen werden, "dass große Fortschritte bereits erzielt wurden. Es gibt ein oder zwei offene Fragen, aber ich denke, dass wir es schaffen."

Die Staats- und Regierungschefs der EU wollten ursprünglich am Mittwochabend bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel eine mögliche Brexit-Vereinbarung prüfen. Nach dem Scheitern der Gespräche am Wochenende wurden bis Mittwoch keine weiteren Verhandlungen angesetzt.

Irlands Regierungschef Leo Varadkar rechnet nun mit einer Einigung erst im November oder Dezember. Dann bestehe "wahrscheinlich die beste Chance für ein Abkommen", sagte er in Dublin.

Brüssel intensiviert derweil seine Vorbereitungen auf einen ungeordneten Brexit. Zwar arbeite die EU weiter "hart für einen Deal", sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. Die "Notfall"-Vorbereitungen auf einen Brexit ohne Austrittsvertrag würden nun aber "fortgesetzt und verstärkt". Auch Regierungssprecher Seibert deutete in Berlin an, dass sich auch die Bundesregierung auf einen Austritt ohne Abkommen vorbereite.

Die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), mit deren Hilfe May in London regiert, hält einen ungeordneten Brexit für "wahrscheinlich unvermeidbar". May werde dem Parlament keinen mehrheitsfähigen Vertrag präsentieren können, sagte DUP-Sprecher Sammy Wilson.

Gegenwind für May kommt überdies aus Schottland: Die dortige Premierministerin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei (SNP) sagte, sie werde keinem der derzeit diskutierten Brexit-Abkommen zustimmen. Sturgeon fordert auch künftig eine deutlich engere Bindung Großbritanniens an die EU.  (I.Beryonev--DTZ)

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