Deutsche Tageszeitung - Sind die "Volksparteien" in Deutschland total am Ende?

Sind die "Volksparteien" in Deutschland total am Ende?


Sind die "Volksparteien" in Deutschland total am Ende?
Sind die "Volksparteien" in Deutschland total am Ende?

Die CSU ist trotz massiver Verluste bei den bayerischen Landtagswahlen mit einem blauen Auge davon gekommen: Sie kann nach Hochrechnungen ein stabiles Bündnis mit den ebenfalls bürgerlich orientierten Freien Wählern eingehen. Die SPD stürzte massiv ab und erlitt ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Die Grünen feierten einen Triumph und wurden zweitstärkste Kraft, die AfD zog in das 15. Landesparlament ein.

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Den Hochrechnungen von ARD und ZDF zufolge verliert die CSU rund zehn Prozent und erreicht rund 37 Prozent. Die SPD büßte sogar elf Prozent ein und bekam demnach nur noch rund 9,5 Prozent der Wählerstimmen. Die Grünen wurden souverän zweitstärkste Kraft, indem sie ihr Ergebnis auf knapp 18 Prozent verdoppelten. Die Freien Wähler erreichten mit rund 11,5 Prozent ihr bestes Ergebnis in Bayern überhaupt.

Die AfD kam mit etwa 10,5 Prozent erstmals in den bayerischen Landtag, in das letzte deutsche Landesparlament dürfte die Partei in zwei Wochen in Hessen einziehen. Die FDP lag am späten Abend in den Hochrechnungen bei 5,0 Prozent und könnte damit wieder im bayerischen Landtag vertreten sein, die Linke verpasste den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag mit mehr als 70 Prozent deutlich über der Beteiligung von 2013 mit 63,9 Prozent.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bezeichnete das zweitschlechteste CSU-Ergebnis in der Parteigeschichte als "zum Teil schmerzhaft". "Wir nehmen das Ergebnis mit Demut an", sagte er. Die CSU sei aber stärkste Kraft und habe einen "klaren Regierungsauftrag" erhalten. Söder machte deutlich, dass er nun ein "bürgerliches Bündnis" mit den Freien Wählern anstrebt. Der Vorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, zeigte sich offen für ein solches Regierungsbündnis.

Rechnerisch möglich wären den Hochrechnungen zufolge auch Regierungskoalitionen der CSU mit den Grünen oder der SPD. Das Wahlergebnis ermöglicht den Christsozialen jedoch eine bürgerliche-konservative Regierung mit den Freien Wählern, die sich in den kommenden Jahren darauf konzentriert, der AfD ihre Wähler wieder abzujagen.

Von bereits im Vorfeld debattierten personellen Konsequenzen war in der CSU zunächst nicht die Rede. Der in die Diskussion geratene Parteivorsitzende Horst Seehofer rief die CSU am Wahlabend zur "Geschlossenheit" auf. Es gehe nun darum, eine gute Regierung für den Freistaat Bayern zu bilden.

Für die Regierungsbildung ist in Bayern wegen der Verfassung wenig Zeit. Spätestens am 22. Tag nach der Wahl muss der neue Landtag das erste Mal zusammenkommen, innerhalb einer Woche muss dann der Ministerpräsident gewählt werden. Nur wenn dies nicht gelingen sollte, gibt es noch einmal einen dreiwöchigen Aufschub.

Auf die Grünen dürfte trotz ihres Wahltriumphs die Rolle des Oppositionsführers zukommen. Der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck sagte, die Menschen in Bayern hätten deutlich gemacht, dass es so nicht weitergehen solle: "Das ist ein Veränderungsauftrag."

Vertreter von CDU und SPD werteten die Ergebnisse in Bayern auch als Quittung für das chaotische Auftreten der großen Koalition in Berlin. Es stehe außer Frage, dass die Streitigkeiten "kein Rückenwind" für die Wahlkämpfer in Bayern gewesen seien, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Zwei Wochen vor der Landtagswahl in Hessen sei das Ergebnis für die CDU eine Ermahnung.

Die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles kündigte eine sorgfältige Analyse an. Einer der Gründe sei "sicherlich auch die schlechte Performance der großen Koalition in Berlin", räumte sie ein. "Die Bürger haben eine schallende Ohrfeige gegeben - auch der SPD", sagte der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner. Er forderte Änderungen in Berlin, "sonst wird die große Koalition nicht mehr lange Bestand haben".

(A.Nikiforov--DTZ)

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