Nach Wahlen in Bosnien-Herzegowina droht politische Krise
Nach den Wahlen droht im Vielvölkerstaat Bosnien-Herzegowina eine politische Krise. Der serbische Nationalist Milorad Dodik, der sich für eine Abspaltung der Republik Srpska einsetzt, gewann laut Teilergebnissen vom Montag den für die Serben reservierten Sitz im dreiköpfigen Staatspräsidium. Der Sieg des prorussischen Politikers bedroht die Stabilität des Balkanstaates. Auch das Ergebnis in der muslimisch-kroatischen Föderation, die mit der serbischen Teilrepublik den bosnischen Gesamtstaat bildet, könnte Spannungen auslösen.
Wie die Wahlkommission mitteilte, erhielt Dodik laut den Teilergebnissen rund 55 Prozent der Stimmen. Den für die bosnischen Muslime reservierten Sitz im Staatspräsidium gewann der Konservative Sefik Dzaferovic, der im Wahlkampf ebenfalls nationalistische Töne angeschlagen hatte.
Den für die Kroaten reservierten Sitz gewann dagegen der als moderat geltende Sozialdemokrat Zeljko Komsic. Er profitierte offenbar von den Stimmen des muslimischen Bevölkerungsteils und setzte sich gegen den kroatischen Rechtsnationalisten Dragan Covic durch.
Der Balkanstaat hat ein höchst komplexes politisches System, das den Proporz der drei wichtigsten Bevölkerungsgruppen - Muslimen, Serben und Kroaten - austarieren soll. Es wurde im Friedensvertrag von Dayton festgelegt, der den Bosnien-Krieg (1992 bis 1995) beendete. Bosnien-Herzegowina setzt sich seither zusammen aus der serbischen Teilrepublik Srpska und der muslimisch-kroatischen Föderation.
Der Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina wird vom dreiköpfigen Staatspräsidium angeführt, das unter anderem für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig ist. Die drei Mitglieder des Präsidiums lösen sich alle acht Monate als amtierender Präsident ab. Die weitaus größeren Befugnisse - etwa Wirtschaftspolitik, innere Sicherheit und Bildung - liegen bei den beiden weitgehend autonomen Teilstaaten.
Der Serbe Dodik steht seit 2006 an der Spitze der Republik Srpska und soll nun an die Spitze des Gesamtstaats treten, den er eigentlich ablehnt. Er hat Bosnien-Herzegowina in der Vergangenheit als "gescheiterten Staat" bezeichnet und will ein Referendum über eine Abspaltung der Republik Srpska abhalten.
Dodik hatte angekündigt, "ausschließlich im Interesse und für den Nutzen der Republik Srpska" zu arbeiten und "Unterstützung durch diplomatische Kontakte" zu holen - vor allem zu Russland, wo er während des Wahlkampfs bereits Präsident Wladimir Putin traf. Der für die bosnischen Muslime ins Präsidium gewählte Dzaferovic rief alle auf, die Verfassung zu respektieren.
Der Südosteuropa-Experte Florian Bieber sah nach der Wahl unruhige Zeiten auf das Land zukommen, Dodik werde "ein Störfaktor sein", sagte Bieber zu AFP. Dodiks Störpotenzial sei dabei allerdings begrenzt: "Er kann blockieren, aber keine Entscheidungen aufdrängen."
Die Forderung nach einem eigenen Teilstaat für ihre Volksgruppe erhebt auch die kroatisch-nationalistische Partei HDZ. Ihr Kandidat Covic unterlag jedoch dem moderateren Komsic.
Covic warf den muslimischen Bosniern in der Föderation danach vor, sich hinter seinen Rivalen gestellt zu haben. Muslime könnten "keine Vertreter der Kroaten wählen", sagte er. "Das ist ein Rückschritt". Komsics Sieg werde eine "beispiellose Krise in Bosnien auslösen". Auch der serbische Politiker Mladen Ivanic warnte vor "ernsten Turbulenzen".
In der muslimisch-kroatischen Föderation ist es üblich, dass die Bewohner lediglich den Vertreter ihrer eigenen Gemeinschaft wählen. Rein rechtlich dürfen sie aber für die Vertreter der jeweils anderen Volksgruppe abstimmen. Der für die Kroaten siegreiche Komsic tritt für eine Überwindung der ethnischen Trennlinien in Bosnien ein.
Die Hälfte der 3,5 Millionen Einwohner Bosnien-Herzegowinas sind Muslime, rund 30 Prozent sind ethnische Serben. Die mehrheitlich katholischen Kroaten, die 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen, fühlen sich von den Muslimen dominiert.
Das südosteuropäische Land leidet neben dem komplizierten und schlecht funktionierenden politischen System auch unter Armut und hoher Arbeitslosigkeit. Bosnien zählt zudem zu den korruptesten Ländern auf dem Balkan.
(I.Beryonev--DTZ)