Deutsche Tageszeitung - Erneuter Schlagabtausch im Brexit-Streit zwischen Johnson und May

Erneuter Schlagabtausch im Brexit-Streit zwischen Johnson und May


Erneuter Schlagabtausch im Brexit-Streit zwischen Johnson und May
Erneuter Schlagabtausch im Brexit-Streit zwischen Johnson und May / Foto: ©

Der Parteitag der britischen Konservativen wird weiterhin vom Brexit-Streit dominiert: In einer Rede kritisierte Ex-Außenminister Boris Johnson den Kurs von Premierministerin Theresa May am Dienstag erneut scharf. Mays Brexit-Strategie sei "gefährlich" und undemokratisch, sagte Johnson. May bezeichnete den kämpferischen Auftritt als "Show". Zuvor hatte die Regierungschefin eine strengere Einwanderungspolitik angekündigt. Sie wolle den bevorzugten Status für EU-Arbeitnehmer nach dem Brexit beenden und Fachkräfte aus aller Welt anwerben.

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Die Tories sind beim Thema EU-Austritt tief gespalten. Die innerparteilichen Differenzen traten am Dienstag erneut offen zutage. Ex-Außenminister Johnson nannte Mays Strategie bei seinem Parteitagsauftritt in Birmingham "gefährlich und unbeständig". Der Plan der Regierungschefin bedeute eine "politische Demütigung", sagte er vor 1500 Delegierten.

"Das ist keine Demokratie. Dies ist nicht das, wofür wir gestimmt haben. Das ist eine Schande", sagte Johnson. Seine 35-minütige Rede, die von Witzen und bissigen Kommentaren durchsetzt war, wurde mehrmals von Lachern und Jubelrufen aus dem Publikum unterbrochen. Johnsons Rede wurde von Beobachtern als eine Art Bewerbungsrede für den Posten des Premierministers gewertet.

May reagierte gelassen auf die erneute Attacke ihres parteiinternen Widersachers. Johnson sorge immer für eine "gute Show", sagte sie dem Sender Sky News. Sie hingegen konzentriere sich auf Dinge, die wichtig für den Alltag der Bürger seien. Wenige Stunden vor Johnsons Rede hatte sie ihrerseits versucht, mit einer Ankündigung zur künftigen Einwanderungspolitik die Tagesordnung zu bestimmen.

Mit der Bevorzugung von Arbeitnehmern aus der EU sei nach dem Brexit Schluss, kündigte sie in einer Erklärung an. "Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird dieses Land selbst kontrollieren und auswählen, wen wir hierher kommen lassen wollen", erklärte May. Das neue System werde es ermöglichen, die Einwanderung von gering qualifizierten Arbeitskräften und die Zuwanderung insgesamt einzuschränken. Entscheidend sei die Qualifikation, nicht die Herkunft der Einwanderer, legte die Regierungschefin dar.

May fügte hinzu, die britische Bevölkerung habe zu lange das Gefühl gehabt, dass sie in Sachen Einwanderung "ignoriert" werde und ihre Anliegen "nicht ernst genug" genommen würden. Ein Weißbuch zur Einwanderung will die Regierung noch in diesem Herbst vorlegen, ein entsprechender Gesetzentwurf soll 2019 vorgelegt werden.

Bislang profitieren EU-Bürger von der Personenfreizügigkeit, wenn sie in Großbritannien arbeiten wollen. Innerhalb der EU können sie den Wohn- und Arbeitsort frei wählen. Laut Mays Plänen bräuchten sie künftig ein Visum für Großbritannien.

Johnson gilt in den Brexit-Verhandlungen der britischen Regierung mit der EU als Mays Hauptwidersacher. Er war im Juli zurückgetreten, weil er den Brexit-Kurs der Regierung als zu nachgiebig erachtete.

Kurz vor dem Parteitag hatte Johnson seinen eigenen Plan für den EU-Austritt vorgestellt. Unter anderem warb er für ein Freihandelsabkommen mit der EU nach dem Vorbild des europäisch-kanadischen Ceta-Abkommens.

Sein Auftritt am Dienstag in Birmingham sorgte für ein gewaltiges Medieninteresse. Delegierte warteten stundenlang, um Johnsons Rede in einem Konferenzsaal zu verfolgen. Gegen die Attacken des Ex-Ministers regte sich aber auch Widerstand. Finanzminister Philip Hammond warf seinem früheren Kabinettskollegen vor, in einer "Fantasiewelt" zu leben. Die Abgeordnete Anna Soubry rief Johnson zur Zurückhaltung auf: "Das Letzte, was wir derzeit brauchen, ist ein Führungsstreit."

Großbritannien tritt im März 2019 aus der EU aus. Die Verhandlungen über die Austrittsvereinbarung zwischen London und Brüssel treten aber auf der Stelle. Frankreich bereitet sich daher auf einen Brexit ohne Austrittsabkommen vor. "Wir wissen nicht, was passieren wird und daher müssen wir uns auf das Schlimmste vorbereiten", sagte Haushaltsminister Gérald Darmanin.

Ein entsprechendes Gesetz zu den juristischen und administrativen Folgen eines Brexits ohne Abkommen ist offenbar bereits in Vorbereitung. Wie aus Regierungskreisen in Paris verlautete, soll der Entwurf Anfang November ins Parlament eingebracht werden.

(S.A.Dudajev--DTZ)

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