Deutsche Tageszeitung - Israel verstärkt Angriffe auf den südlichen Gazastreifen

Israel verstärkt Angriffe auf den südlichen Gazastreifen


Israel verstärkt Angriffe auf den südlichen Gazastreifen
Israel verstärkt Angriffe auf den südlichen Gazastreifen / Foto: © Israeli Army/AFP

Israel hat ungeachtet von lauter werdenden internationalen Forderungen nach einem besseren Schutz der Zivilbevölkerung seine massiven Angriffe im Gazastreifen fortgesetzt. Dabei wurden am Wochenende verstärkt Ziele im Süden des Palästinensergebiets unter Beschuss genommen. Die radikalislamische Hamas feuerte ihrerseits hunderte Raketen auf Israel ab. Die Hoffnungen auf eine erneute Feuerpause wurden derweil gedämpft: Die israelische Regierung zog wegen einer Verhandlungsblockade ihre Unterhändler aus Katar ab.

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Das israelische Militär teilte am Sonntag mit, fünf Kämpfer der Hamas durch eine Drohne "eliminiert" zu haben. Zudem hätten Kampfjets und Hubschrauber "Tunnelschächte, Kommandozentralen und Waffenlager" getroffen.

Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) meldete mindestens 160 tote Palästinenser bei Angriffen am Samstag auf ein sechsstöckiges Gebäude im Flüchtlingslager Dschabalija und einen Häuserblock in der Stadt Gaza im nördlichen Gazastreifen. Nach Angaben der Hamas wurden bei einem israelischen Angriff nahe der ägyptischen Grenze im Süden des Gazastreifens am Sonntag mindestens sieben Menschen getötet.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte, es gebe "keinen anderen Weg zu gewinnen", als die Bodenoffensive fortzuführen. Der Krieg werde fortgesetzt, bis Israel "alle seine Ziele" erreicht habe, darunter die Befreiung der Geiseln.

Während sich die israelischen Angriffe wochenlang auf den Norden des Palästinensergebiets konzentriert hatten, wurde am Wochenende auch der Süden stark unter Beschuss genommen, darunter das Gebiet um die Stadt Chan Junis. Die Armee rief die Zivilbevölkerung auf, "falls erforderlich" sichere Bereiche aufzusuchen.

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warnte davor, dass sich infolge der wiederholten Evakuierungsaufrufe der israelischen Armee hunderttausende Palästinenser auf immer kleinerem Gebiet im südlichen Gazastreifen drängten. "Ich wiederhole: Es gibt keinen sicheren Ort im Gazastreifen", erklärte er.

Nach einer jüngsten Schätzung der Vereinten Nationen wurden seit Beginn des Krieges drei Viertel der Bevölkerung im Gazastreifen aus ihren Häusern vertrieben. Ein Großteil kam demnach in völlig überfüllten und unhygienischen Unterkünften unter.

Während die meisten Palästinenser im Gazastreifen festsitzen, konnten UN-Angaben zufolge am Wochenende 880 Ausländer und Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft sowie 13 Verletzte das Palästinensergebiet über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten verlassen.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris rief Israel auf, mehr zum Schutz der Zivilisten im Gazastreifen zu tun. "Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden", sagte Harris bei der UN-Klimakonferenz in Dubai. Ähnlich äußerte sich US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Ein Krieg in "urbanen Gebieten" lasse sich nur durch den Schutz von Zivilisten gewinnen, betonte er.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte in Dubai vor einem jahrelangen Krieg in Nahost. Die von Israel als Ziel ausgegebene "totale Zerstörung der Hamas" würde mindestens "zehn Jahre Krieg" erfordern, sagte er.

Unterdessen setzten die Hamas und der mit ihr verbündete Islamische Dschihad ihre Angriffe auf Israel fort. Sie erklärten, zahlreiche Städte unter "Raketen-Dauerbeschuss" genommen zu haben, darunter Tel Aviv. Der Vizechef der Hamas, Saleh al-Aruri, erklärte, der Preis für die Freilassung der israelischen Geiseln sei die "Freilassung aller unserer Gefangenen - nach einem Waffenstillstand".

Die israelische Armee gab an, dass ein Großteil der 250 Raketen aus dem Gazastreifen abgefangen worden sei. Zwei ihrer Soldaten wurden demnach bei dem Beschuss getötet.

Die Hoffnungen auf eine mögliche Neuauflage der am Freitag ausgelaufenen Feuerpause rückten derweil in weite Ferne: Die israelische Regierung erklärte, die Gespräche steckten in einer "Sackgasse" und zog ihre Unterhändler aus Katar ab.

Die von Katar, Ägypten und den USA vermittelte siebentägige Feuerpause hatte zur Freilassung von 80 israelischen Geiseln im Austausch gegen 240 palästinensische Gefangenen geführt. Zudem war die Kampfpause genutzt worden, um Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu bringen.

Israelischen Angaben zufolge werden noch 137 Geiseln von der Hamas im Gazastreifen festgehalten. Das britische Verteidigungsministerium erklärte, mit Überwachungsflügen über dem Gazastreifen bei der Suche nach den verbleibenden Geiseln helfen zu wollen.

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert inzwischen bereits mehr als acht Wochen an. Am 7. Oktober waren hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und etwa 240 Menschen als Geiseln verschleppt.

Als Reaktion begann Israel mit dem massiven Angriff auf Ziele in dem dicht besiedelten Gazastreifen. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem mehr als 15.500 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet, unter ihnen mehr als 6000 Kinder und Jugendliche.

(M.Dylatov--DTZ)

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