Brexit-Verhandlungen stecken vor dem EU-Gipfel in der Sackgasse
Die Verhandlungen über den EU-Austritt Großbritanniens stecken in der Sackgasse. Es gebe keine "großen Fortschritte", sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Donnerstag zum Abschluss der fünften Gesprächsrunde in Brüssel. Er könne deshalb dem EU-Gipfel kommende Woche nicht empfehlen, die zweite Phase der Verhandlungen über die künftigen Beziehungen einzuleiten. Der britische Brexit-Minister David Davis hoffte darauf, dass die Staats- und Regierungschef dies noch anders sehen.
Die EU und Großbritannien hatten seit Montag erneut über zentrale Austrittsfragen beraten. Dazu gehören die Finanzforderungen der EU an London, die künftigen Rechte von EU-Bürgern in Großbritannien und der Status Nordirlands nach dem Austritt im März 2019. Erst wenn es "ausreichende Fortschritte" in diesen Bereichen gibt, will die EU mit London auch über das künftige Verhältnis und ein mögliches Handelsabkommen sprechen. Der Übergang in diese zweite Phase war ursprünglich für Oktober geplant. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte jedoch schon Ende September gesagt, ohne "Wunder" sei dies nicht mehr zu schaffen.
Vollkommen festgefahren sind die Gespräche laut Barnier bei den Finanzforderungen. Diese steckten "in einer Besorgnis erregenden Sackgasse", sagte er. Die Europäische Union verlangt von London, alle eingegangenen finanziellen Verpflichtungen aus der EU-Mitgliedschaft zu erfüllen. In Brüssel wird der Betrag auf 60 bis 100 Milliarden Euro geschätzt. So viel will London bei weitem nicht zahlen.
Brexit-Minister David Davis zeigte sich mit Blick auf den EU-Gipfel dennoch zuversichtlich. "Ich hoffe, dass die Mitgliedstaaten den Fortschritt anerkennen, den wir gemacht haben", sagte er. Der Brite verwies dabei auf die Rede von Premierministerin Theresa May vom September im italienischen Florenz.
Die britische Regierungschefin hatte dort zugesichert, London werde seine direkten Verpflichtungen aus der EU-Mitgliedschaft erfüllen, die sich im aktuellen EU-Haushaltsrahmen bis auf das Jahr 2020 erstrecken. Die britischen Beitragszahlungen dafür würden sich aber nur auf rund 20 Milliarden Euro belaufen.
Auch über eine von May vorgeschlagene zweijährige Übergangsphase nach dem Brexit will die EU nicht verhandeln, solange es keine Einigung zu den Austrittsfragen gibt. May hatte vorgeschlagen, dass britische Unternehmen in der Zeit wie bisher Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben. Das Gleiche soll für EU-Firmen auf dem britischen Markt gelten. Davis forderte die Staats- und Regierungschefs in dieser Frage auf, bei ihrem Gipfel über eine Änderung des Verhandlungsmandats für Barnier "ein Vorankommen" zu ermöglichen. Doch bei den Mitgliedstaaten stößt dies auf Ablehnung: "Auch die Übergangsphase gehört in die zweite Phase", sagte ein Diplomat am Mittwochabend.
Neue Zielmarke für Barnier ist nun der nächste Gipfel im Dezember. Der EU-Verhandlungsführer zeigte sich "überzeugt, dass mit politischem Willen entscheidende Durchbrüche in den kommenden beiden Monaten in Reichweite sind". Der Franzose warnte London gleichzeitig vor einem Austritt ohne Vereinbarung mit der EU: "Kein Deal wird ein sehr schlechter Deal sein." (P.Tomczyk--DTZ)