Deutsche Journalistin Tolu weist Terror-Vorwürfe der türkischen Justiz zurück
Zum Auftakt ihres Prozesses in der Türkei hat die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu die Terrorismus-Vorwürfe zurückgewiesen. Sie erkenne die Klagepunkte der Staatsanwaltschaft nicht an, sagte die 33-jährige Neu-Ulmerin nach Angaben ihrer Verteidiger am Mittwoch vor dem Gericht in Silivri bei Istanbul. Dort muss sich Tolu wegen "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" und "Terrorpropaganda" verantworten.
Bei einer Verurteilung drohen Tolu 15 Jahre Haft. Sie deutete in der Gerichtsanhörung an, dass sie politische Motive hinter dem Verfahren vermute. In der Türkei hatte Tolu für die linksgerichtete Nachrichtenagentur ETHA gearbeitet. "Ich bin wegen meiner Übersetzungen für die ETHA ins Visier der Polizei geraten", sagte sie laut Verteidigung in dem Verfahren. Ihr Vater Ali Riza sagte laut ETHA vor dem Gericht: "Alle Anschuldigungen sind erlogen und substanzlos."
Die Mutter eines zweijährigen Kindes war Ende April festgenommen worden und sitzt seitdem mit ihrem Sohn im Frauengefängnis Bakirköy hinter Gittern. In dem am Mittwoch eröffneten Verfahren ist Tolu eine von 18 Angeklagten.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Mitgliedschaft in der Marxistisch-leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) vor. Sie habe an Demonstrationen der verbotenen Gruppe teilgenommen und Begräbnisse von MLKP-Aktivisten besucht.
Tolus Unterstützer beklagen einen Mangel an Beweisen und sehen den Prozess als politisch motiviert. Die Bundesregierung hat sich bisher vergeblich für ihre Freilassung eingesetzt. Der Fall belastet seit Monaten die deutsch-türkischen Beziehungen - ebenso wie die Inhaftierung weiterer deutscher Staatsbürger in der Türkei.
Eine Mitarbeiterin des deutschen Generalkonsulats in Istanbul beobachte Tolus Prozess, erklärte das Auswärtige Amt am Mittwoch. Deutsche Diplomaten stünden "auf allen Ebenen in ständigem Kontakt mit den Anwälten und natürlich mit der türkischen Regierung, um Verbesserungen zu erreichen", sagte eine Sprecherin.
Am Montag habe ein Mitarbeiter die Inhaftierte zuletzt besucht. "Es ging ihr den Umständen entsprechend gut", sagte die Sprecherin. Tolu habe dem Prozess "gefasst" entgegengesehen.
Die türkische Regierung geht unter dem Ausnahmezustand, der nach dem gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 verhängt wurde, verstärkt gegen kritische Journalisten vor. Mehr als hundert Journalisten wurden seitdem inhaftiert, fast 150 Medien geschlossen, darunter viele kurdische und linke Medien. Derzeit sitzen laut der Plattform für Pressefreiheit P24 in der Türkei 170 Journalisten hinter Gittern.
(W.Novokshonov--DTZ)