Kataloniens Vorgehen im Ringen um Unabhängigkeit stiftet Verwirrung
Mit seinem jüngsten Vorstoß im Ringen um einen von Spanien unabhängigen Staat Katalonien hat der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont erhebliche Verwirrung gestiftet. Spaniens Zentralregierung äußerte am Mittwoch ihr Unverständnis und forderte Katalonien zur Klärung auf. Puigdemont hatte zuvor eine Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, diese aber umgehend für ausgesetzt erklärt. Sein Sprecher erklärte Puigdemonts Schritt daraufhin zum "symbolischen Akt".
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy machte das weitere Vorgehen gegen die katalanische Regierung von der Klärung der Frage abhängig, ob sich die Region nun formell von Spanien losgesagt habe oder nicht. Auf einer Dringlichkeitssitzung in Madrid beschloss Rajoys Kabinett eine offizielle Anfrage an Puigdemonts Regierung. Er drohte Katalonien abermals mit einem Entzug der Autonomierechte.
"Die Regierung will für die Spanier, insbesondere die Katalanen, Klarheit schaffen", sagte Rajoy in einer Fernsehansprache. "Sie will die Verwirrung abwenden, die durch die katalanischen Behörden ausgelöst wurde." Das weitere Vorgehen seiner Regierung werde "umsichtig und vernünftig" ausfallen, sicherte Rajoy zu.
Der Frage nach Gültigkeit und Tragweite der Unabhängigkeitserklärung kommt dabei große verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Spaniens Verfassung sieht die Abspaltung einer Region nicht vor. Eine Unabhängigkeitserklärung wäre nach Auffassung der Zentralregierung ein klarer Rechtsbruch und würde juristische Konsequenzen nach sich ziehen. Puigdemonts "symbolische" Erklärung bewegt sich hingegen in einem rechtlichen Graubereich.
Der katalanische Regierungssprecher Jordi Turull bemühte sich am Mittwoch um eine Deutung des Vorgehens seiner Regierung. Die Unterzeichnung von Puigdemonts Erklärung sei ein "symbolischer Akt, mit dem wir alle unsere Bereitschaft unterzeichnet haben, die Unabhängigkeit zu erklären". Eine Unabhängigkeitserklärung müsse aber durch das Regionalparlament abgegeben werden, was aber nicht der Fall gewesen sei.
Puigdemont hatte am Dienstagabend vor dem Regionalparlament gesagt, er nehme das "Mandat" der Katalanen für eine Unabhängigkeit von Spanien an. Die "Aussetzung" der Unabhängigkeit begründete er damit, dass er in den kommenden Wochen einen Dialog mit der Zentralregierung in Madrid anstoßen wolle.
Spaniens Außenminister Alfonso Dastis sagte, seine Regierung sei zum Dialog mit Katalonien "im Rahmen der Verfassung" bereit. Dabei sei es aber "unmöglich", dass Katalonien einseitige Schritte unternehme.
International war die katalanische Regierung weitgehend isoliert. Eine Sprecherin der Bundesregierung in Berlin bezeichnete eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens als "inakzeptabel und illegal" und begrüßte "die klare Haltung des spanischen Premiers". Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) mahnte einen Dialog an und erklärte: "Eine einseitige Ausrufung der katalanischen Unabhängigkeit wäre unverantwortlich." Die EU-Kommission rief die Konfliktparteien zur "klaren Achtung der spanischen Verfassungsordnung" auf.
Auch innerhalb Kataloniens kam Puigdemont unter Druck. Die an der katalanischen Regierungskoalition beteiligte Linkspartei CUP kritisierte seinen Verzicht auf eine sofortige Unabhängigkeitserklärung.
Mit dem Aufschub verzichtete Puigdemont darauf, aufgrund des umstrittenen Referendums vom 1. Oktober sofort die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens zu erklären. Bei dem von der spanischen Zentralregierung und Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum hatten sich 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.
(A.Nikiforov--DTZ)