Puigdemont setzt Unabhängigkeitserklärung Kataloniens aus
Nach seiner mit Spannung erwarteten Rede im Parlament von Barcelona hat Regionalpräsident Carles Puigdemont zwar eine Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet, diese aber sofort ausgesetzt. So solle ein "Dialog" mit der Zentralregierung in Madrid ermöglicht werden, teilte ein Sprecher am Dienstagabend mit. Madrid lehnte das Vorgehen umgehend ab und setzte für Mittwochmorgen eine Kabinettssitzung an.
Zwar sagte Puigdemont vor den Abgeordneten des Regionalparlaments, er nehme das "Mandat" der Katalanen für eine Unabhängigkeit von Spanien an. Zugleich bat er die Abgeordneten aber darum, die Unabhängigkeitserklärung zunächst "auszusetzen", um in den kommenden Wochen einen Dialog mit Madrid einleiten zu können.
Die spanische Regierung wies Puigdemonts Erklärung umgehend zurück. "Es ist nicht zulässig, implizit die Unabhängigkeit zu erklären und diese dann explizit auszusetzen", erklärte ein Regierungssprecher in Madrid. Ministerpräsident Mariano Rajoy berief für Mittwochmorgen eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, wie die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría am Abend in Madrid bekanntgab. Bei dem Treffen soll demnach über die Reaktion Madrids auf Puigdemonts Aussagen beraten werden.
Puigdemont wisse offensichtlich nicht, "wo er steht, wohin er geht und mit wem er gehen will", sagte die Vize-Ministerpräsidentin. Rajoys konservative Regierungspartei Partido Popular (PP) kritisierte das Vorgehen Puigdemonts im Kurzbotschaftendienst Twitter als "Anschlag auf den gesunden Menschenverstand". Der Chef der Sozialisten in Katalonien, Miquel Iceta, kritisierte: "Man kann keine Erklärung aussetzen, die man gar nicht abgegeben hat".
Auch die an der katalanischen Regierungskoalition beteiligte Linkspartei CUP kritisierte den Verzicht auf eine sofortige Unabhängigkeitserklärung. Ihre Partei sei der Meinung, "dass heute der Tag war, um feierlich eine katalanische Republik auszurufen", sagte die CUP-Abgeordnete Anna Gabriel am Dienstagabend vor dem Regionalparlament in Barcelona.
Mit dem Aufschub verzichtete Puigdemont darauf, aufgrund des umstrittenen Referendums vom 1. Oktober sofort die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens zu erklären. Er kritisierte zugleich die "radikale" Weigerung der spanischen Regierung, einer Vermittlung im Katalonien-Konflikt zuzustimmen. Puigdemont betonte die Notwendigkeit, in dem Konflikt die Spannungen abzubauen.
Puigdemont hat bereits mehrfach eine Vermittlung im Streit mit der Zentralregierung gefordert. Ministerpräsident Rajoy will aber erst Gespräche führen, wenn die katalanische Regionalregierung ihre Unabhängigkeitsbestrebungen aufgibt.
Bei dem von der spanischen Zentralregierung und Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum hatten sich 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.
Zuletzt war der Druck aus dem In- und Ausland auf die Regionalregierung gewachsen, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen. Die Zentralregierung will eine Abspaltung der Region im Nordosten Spaniens um jeden Preis verhindern. Madrid hatte nach dem Referendum damit gedroht, im Fall einer Unabhängigkeitserklärung die Regionalregierung zu entmachten, Katalonien seine Teilautonomie zu entziehen oder sogar den Ausnahmezustand auszurufen.
(A.Nikiforov--DTZ)