Puigdemont verzichtet auf sofortige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens
Atempause im Katalonien-Konflikt: Bei einer mit Spannung erwarteten Rede im Regionalparlament von Barcelona hat Regionalpräsident Carles Puigdemont auf eine sofortige Unabhängigkeitserklärung verzichtet. Zwar sagte Puigdemont am Dienstagabend vor den Abgeordneten, er nehme das "Mandat" der Katalanen für eine Unabhängigkeit von Spanien an. Zugleich bat er die Abgeordneten aber darum, die Unabhängigkeitserklärung zunächst "auszusetzen", um in den kommenden Wochen einen Dialog mit Madrid einleiten zu können.
"Wir erleben einen außerordentlichen Moment von historischer Dimension", sagte Puigdemont zu Beginn seiner Rede. "Ich nehme das Mandat des Volkes an, dass Katalonien eine unabhängige Republik wird", sagte der 54-Jährige und fügte hinzu: "Ich bitte das Parlament, dass es die Unabhängigkeitserklärung aussetzt, um in den kommenden Wochen einen Dialog zu starten."
Mit der Bitte um einen Aufschub verzichtete er darauf, aufgrund des umstrittenen Referendums vom 1. Oktober sofort die Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens zu erklären. Er kritisierte zugleich die "radikale" Weigerung der spanischen Regierung, einer Vermittlung im Katalonien-Konflikt zuzustimmen. Puigdemont betonte die Notwendigkeit, in dem Konflikt die Spannungen abzubauen.
Die spanische Regierung wies Puigdemonts Erklärung umgehend zurück. "Es ist nicht zulässig, implizit die Unabhängigkeit zu erklären und diese dann explizit auszusetzen", erklärte ein Regierungssprecher in Madrid.
Puigdemont hat bereits mehrfach eine Vermittlung im Streit mit der Zentralregierung gefordert. Ministerpräsident Mariano Rajoy will aber erst Gespräche führen, wenn die katalanische Regionalregierung ihre Unabhängigkeitsbestrebungen aufgibt.
Bei dem von der spanischen Zentralregierung und Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum hatten sich am 1. Oktober 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.
Zuletzt war der Druck aus dem In- und Ausland auf die Regionalregierung gewachsen, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen. Die Zentralregierung in Madrid richtete kurz vor der Rede einen eindringlichen Appell an Puigdemont, auf einen solchen Schritt zu verzichten.
"Ich möchte Herrn Puigdemont bitten, nichts Unumkehrbares zu tun, keinen Weg einzuschlagen, von dem es kein Zurück gibt, keine einseitige Unabhängigkeitserklärung zu verkünden und zur Legalität zurückkehren", hatte Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo wenige Stunden vor der Rede gesagt.
Puigdemont trat letztlich mit einstündiger Verspätung vor die Abgeordneten. Wie ein Sprecher der Regionalregierung sagte, hatte er bis zuletzt über eine internationale Vermittlung in der Katalonien-Krise beraten. Madrid schloss eine Vermittlung aber erneut aus. Verhandlungen mit Puigdemont seien "nicht denkbar", sagte ein Regierungssprecher in Madrid.
Die Zentralregierung will eine Abspaltung der Region im Nordosten Spaniens um jeden Preis verhindern. Madrid hatte nach dem Referendum damit gedroht, im Fall einer Unabhängigkeitserklärung die Regionalregierung zu entmachten, Katalonien seine Teilautonomie zu entziehen oder sogar den Ausnahmezustand auszurufen.
Puigdemonts Rede wurde in Barcelona auf Großleinwänden übertragen, viele Menschen schwenkten katalanische Flaggen. Die Polizei sperrte den Park ab, in dem sich das Regionalparlament befindet. Aus Sorge vor Ausschreitungen wurden auch die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen und Bahnhöfen in Katalonien verschärft.
(A.Nikiforov--DTZ)