Gewerkschaft: 400.000 Franzosen demonstrieren gegen Macron
In Frankreich haben nach Gewerkschaftsangaben mehr als 400.000 Menschen gegen Einschnitte im öffentlichen Dienst protestiert. Die Gewerkschaft CGT teilte mit, alleine in Paris seien am Dienstag 45.000 Menschen gegen die "inakzeptablen" Maßnahmen der Regierung auf die Straße gegangen. Die Polizei bezifferte die Zahl der Teilnehmer in der Hauptstadt mit 26.000. Auch in Belgien streikten die Beamten, in beiden Ländern kam es zu Verkehrsbehinderungen.
In Frankreich waren erstmals seit zehn Jahren alle 5,4 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zum Ausstand aufgerufen. Die Proteste richteten sich gegen die geplante Streichung von 120.000 Beamten-Stellen. Zudem will die Regierung von Präsident Emmanuel Macron deren Gehälter einfrieren. Mit den Einschnitten will der Staatschef die EU-Defizitgrenze von drei Prozent erstmals seit zehn Jahren wieder einhalten.
"Macron, schau auf deine Rolex, es ist Zeit für eine Revolte", hieß es auf einem Transparent im westfranzösischen Saint-Nazaire. "Krankenhäuser im Ausnahmezustand", war auf einem Banner in Nantes zu lesen. Auch in Lyon, Straßburg, Nizza und Montpellier gingen Tausende auf die Straße. Landesweit waren 130 Kundgebungen angemeldet, die größte in Paris.
In der Hauptstadt kam es am Rande der friedlichen Kundgebung zu vereinzelten Ausschreitungen, wie ein Journalisten von Deutsche Tageszeitung beobachteten. Vermummte warfen demnach die Scheiben mehrerer Banken ein und zerstörten Buswartehäuschen. Die Polizei setzte Tränengas ein.
In Frankreich beteiligten sich unter anderem Fluglotsen, Lehrer und Mitarbeiter der Post an dem Ausstand. Rund 30 Prozent der Flüge wurden gestrichen, in vielen Schulen fiel der Unterricht aus. Auch zahlreiche Krippen und Kindergärten blieben geschlossen.
Regierungssprecher Christophe Castaner sprach im Fernsehsender France 2 von einer "bedeutenden Mobilisierung". Die Furcht der Gewerkschaften vor einer sinkenden Kaufkraft der Beamten infolge der Sparmaßnahmen sei aber unbegründet. Premierminister Edouard Philippe betonte, die Regierung stehe ungeachtet der Proteste zu ihren Reformvorhaben.
Der Präsident der Gewerkschaft FO, Jean-Claude Mailly, hielt dem entgegen, es gebe "mehr als nur ein Unbehagen im öffentlichen Dienst". Das zeige auch die hohe Beteiligung an den Kundgebungen. In Belgien hatte die Gewerkschaft CGSP zum Streik aufgerufen. Sie machte damit unter anderem gegen ein geplantes Gesetz mobil, das bei Streiks einen Mindestbetrieb im Verkehrssektor festschreiben soll. Der Ausstand fiel mit der jährlichen Regierungserklärung von Ministerpräsident Charles Michel zusammen.
Im ganzen Land waren Zugverbindungen betroffen, auch solche nach Deutschland. In Brüssel fuhr zeitweise kein Bus mehr und nur eine U-Bahn-Linie, auch viele Straßenbahnen fielen aus. In Brüssel und weiteren Städten gab es zudem Proteste. Demonstranten errichteten Streikposten an mehreren Orten, unter anderem vor dem Atomkraftwerk Tihange in der Nähe von Lüttich.
In Frankreich zeichnet sich bereits der nächste Ausstand ab: Die Gewerkschaft CGT hat für den 19. Oktober zu neuen Protesten gegen die Reform des Arbeitsrechts aufgerufen. Auf eine gemeinsame Kundgebung konnten sich die Arbeitnehmervertreter bei einem Treffen in Paris am Montagabend nicht verständigen. Die Gewerkschaften seien "nicht alle auf einer Wellenlänge", sagte FO-Chef Mailly. Er hielt aber eine gemeinsame Aktion "im Laufe des Novembers" für möglich. (W.Novokshonov--DTZ)