Schicksalstag für Spanien - Kataloniens Regierung könnte Unabhängigkeit ausrufen
Countdown in Spanien: Mit Spannung und Sorge ist am Dienstag eine mögliche Unabhängigkeitserklärung Kataloniens abgewartet worden. Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont wollte am Abend eine Rede im Regionalparlament in Barcelona halten - und könnte bei dieser Gelegenheit eine Abspaltung von Spanien verkünden. Die Zentralregierung in Madrid richtete wenige Stunden vorher einen eindringlichen Appell an ihn, auf einen solchen Schritt zu verzichten.
"Ich möchte Herrn Puigdemont bitten, nichts Unumkehrbares zu tun, keinen Weg einzuschlagen, von dem es kein Zurück gibt, keine einseitige Unabhängigkeitserklärung zu verkünden und zur Legalität zurückkehren", sagte Regierungssprecher Íñigo Méndez de Vigo in Madrid. "Europa hat klar gesagt, dass es eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens nicht akzeptieren wird."
Auch am Nachmittag war vollkommen unklar, was Puigdemont in seiner Rede sagen würde. Ein Sprecher der Regionalregierung bekräftigte im Vorfeld lediglich, die Exekutive sei "komplett vereint". Puigdemont könnte einseitig eine Unabhängigkeit Kataloniens verkünden. Er könnte aber auch auf Zeit spielen und beispielsweise erneut eine Vermittlung in der Krise fordern.
Aus Sorge vor Ausschreitungen sperrte die katalanische Polizei am Dienstag den Ciutadella-Park ab, in dem das Regionalparlament gelegen ist. Damit solle verhindert werden, dass "Druck auf die Arbeit des Parlaments" ausgeübt werde, sagte ein Polizeisprecher. Die wichtigsten Unabhängigkeitsorganisationen hatten zu einer Demonstration vor dem Parlament "zur Unterstützung und Verteidigung der Unabhängigkeitserklärung" aufgerufen.
Zuletzt war der Druck aus dem In- und Ausland auf die Regionalregierung gewachsen, von einer Unabhängigkeitserklärung abzusehen. So sprach sich die beliebte Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, am Montagabend gegen eine einseitige Abspaltung von Spanien aus. Am Wochenende hatten in Barcelona hunderttausende Menschen gegen eine Unabhängigkeit demonstriert.
Die Zentralregierung will eine Abspaltung der Region im Nordosten des Landes verhindern. Madrid könnte die Regionalregierung entmachten, Katalonien seine Teilautonomie entziehen oder sogar den Ausnahmezustand ausrufen. Das dürfte den Konflikt allerdings weiter anheizen.
Der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos zeigte sich am Dienstag des Rückhalts der EU gewiss. Er glaube, dass Europa "alle Aktionen unterstützen wird, die wir im Rahmen der Verfassung und der Rechtmäßigkeit in Spanien ergreifen werden", sagte er beim Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) rief alle Verantwortlichen auf, eine Lösung im Rahmen des geltenden Rechts zu finden. "Wir wünschen Katalonien das Allerbeste, aber wir glauben, die Lösung ist innerhalb der spanischen Verfassung."
Bei einem von der spanischen Zentralregierung und Justiz als rechtswidrig eingestuften Referendum hatten sich am 1. Oktober 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit Kataloniens ausgesprochen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings bei lediglich 43 Prozent, viele Gegner einer Unabhängigkeit boykottierten die Abstimmung.
Umfragen zufolge ist eine klare Mehrheit der Katalanen für ein regelkonformes Referendum. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy lehnt dies aber entschieden ab.
(A.Nikiforov--DTZ)