Deutsche Journalistin Mesale Tolu kommt in Istanbul vor Gericht
Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu muss sich ab Mittwoch in Istanbul vor Gericht wegen Terrorvorwürfen verantworten. Der Prozess gegen Tolu und 17 weitere Angeklagte wird im Gefängnis Silivri westlich von Istanbul stattfinden. Der Mitarbeiterin der linken Nachrichtenagentur ETHA drohen 15 Jahre Haft wegen "Terrorpropaganda" und "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation". Die Bundesregierung hat sich bisher vergeblich für ihre Freilassung eingesetzt.
Die Mutter eines zweijährigen Kindes wurde Ende April in ihrer Istanbuler Wohnung festgenommen. Ihr türkischer Ehemann Suat Corlu war bereits Wochen zuvor inhaftiert worden. Während ihr Mann in Silivri einsitzt, ist Tolu mit ihrem kleinen Sohn im Istanbuler Frauengefängnis Bakirköy inhaftiert. Der Vater und andere Verwandte Tolus bringen den Jungen gelegentlich nach Silivri, um seinen Vater zu besuchen.
Der jungen Frau aus Neu-Ulm wird Mitgliedschaft in der Marxistisch-leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) vorgeworfen. Medienberichten zufolge stützt sich die Anklage auf ihre Teilnahme an einer Demonstration, einer Beerdigung und Gedenkfeiern für getötete Kämpfer der linksextremen Gruppe, die in der Türkei als Terrororganisation verboten ist. Ihre Unterstützer sehen den Prozess als politisch motiviert.
Die türkische Regierung geht unter dem Ausnahmezustand, der nach dem gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 verhängt wurde, verstärkt gegen kritische Journalisten vor. Mehr als hundert Journalisten wurden seitdem inhaftiert, fast 150 Medien geschlossen, darunter viele kurdische und linke Medien. Derzeit sitzen laut der Plattform für Pressefreiheit P24 in der Türkei 170 Journalisten hinter Gittern.
Die Bundesregierung setzt sich mit Nachdruck für die Freilassung Tolus ein. Obwohl sie als deutsche Staatsbürgerin ein Anrecht auf konsularische Betreuung hat, erlangte das deutsche Konsulat in Istanbul erst nach langem Drängen Zugang zu ihr. Der deutsche Botschafter Martin Erdmann besuchte zuletzt am Montag Tolu, bald sind auch Besuche bei den inhaftierten Deutschen Deniz Yücel und Peter Steudtner geplant.
Die Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Yücel, des Menschenrechtlers Steudtner und der Journalistin Tolu belastet die deutsch-türkischen Beziehungen massiv. Yücel sitzt seit Mitte Februar in Gewahrsam, Steudtner wurde Anfang Juli während eines Seminars auf einer Insel bei Istanbul zusammen mit anderen Menschenrechtlern festgenommen. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu 15 Jahre Haft für sie.
In Ulm und anderen Städten haben sich seit der Festnahme Tolus mehrere Unterstützergruppen gebildet, die auf die Freilassung Tolus und der anderen inhaftierten Deutschen dringen. Vergangene Woche machten ihre Unterstützer mit einer Podiumsdiskussion in Frankfurt und einem Solidaritätskonzert in Ulm mobil. Für den Tag des Prozessauftakts am Mittwoch ist in Frankfurt ein Autokorso geplant.
(V.Sørensen--DTZ)