Türkei fordert USA in Visa-Streit zum Einlenken auf
Die Beziehungen zwischen der Türkei und den USA sind in eine schwere diplomatische Krise geraten. Das türkische Außenministerium bestellte nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montag den US-Geschäftsträger in Ankara ein und forderte die US-Regierung auf, die Einschränkungen für die Visa-Vergabe an Türken zurückzunehmen. Auslöser der Krise war die Festnahme eines türkischen Mitarbeiters des US-Konsulats in Istanbul am Mittwoch.
Die türkische Justiz verdächtigt den Konsulatsmitarbeiter, zur verbotenen Gülen-Bewegung zu gehören und Spionage zu betreiben. Die USA weisen diese Vorwürfe als unbegründet zurück.
Die Festnahme zog Visa-Sanktionen der USA und Gegensanktionen der Türkei nach sich: Am Sonntag verkündete die US-Regierung, dass bis zur Prüfung der Sicherheit der Konsulatsmitarbeiter in der Türkei die Vergabe von temporären Visa ausgesetzt werde. Die USA wollen in den Konsulaten in der Türkei demnach nur noch Anträge für dauerhafte Visa bearbeiten.
Die Türkei reagierte darauf am späten Sonntagabend mit einer praktisch wortgleichen Erklärung, in der sie ihrerseits verkündete, die Visa-Ausstellung durch die türkischen Konsulate in den USA zu stoppen. Auch die Ausstellung von E-Visa über das Internet sowie die Visa-Vergabe an der Grenze sei für US-Bürger gestoppt worden, hieß es in der Erklärung.
Die Maßnahme bedeutet, dass Türken und US-Bürger bis auf weiteres nicht mehr zum Arbeiten oder zu Urlaubs-, Geschäfts- oder Studienreisen in das jeweilig andere Land reisen können. Die Maßnahme betrifft auch Bürger anderer Länder, die in den USA oder der Türkei ein Visum für das jeweils andere Land beantragen wollen.
Der Experte Soner Cagaptay vom Washington Institute sprach von einer "historischen Krise". Seit dem Zypern-Krieg in den 70er Jahren seien die Beziehungen nicht mehr auf einen solchen Tiefpunkt gesunken, sagte er. Eine rasche Normalisierung der Beziehungen sei nicht zu erwarten, da beide Seiten nicht bereit seien, in diesem Konflikt einzulenken, warnte er.
Das Verhältnis der Nato-Partner USA und Türkei ist wegen einer Reihe von Streitfragen seit langem angespannt. Unter anderem fordert die Türkei von den USA die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den sie für den gescheiterten Militärputsch von Juli 2016 verantwortlich macht. Auch ist Ankara wütend über die US-Unterstützung für die Kurden in Syrien.
Der türkische Justizminister Abdulhamit Gül dementierte derweil einen Medienbericht, wonach die Justiz die Festnahme eines zweiten US-Konsulatsmitarbeiters beantragt habe. Die Zeitung "Hürriyet" hatte zuvor berichtet, ein Staatsanwalt habe am Sonntag einen Haftbefehl gegen einen weiteren türkischen Mitarbeiter des US-Konsulats in Istanbul wegen Gülen-Verbindungen ausgestellt.
Die türkischen Märkte reagierten besorgt auf die beispiellose Auseinandersetzung zwischen Ankara und Washington: Die Börse in Istanbul gab am Montag bei Handelsbeginn um vier Prozent nach, bevor sie sich etwas erholte. Der Kurs der türkischen Lira zum Dollar brach von 3,61 auf zwischenzeitlich 3,92 ein, bevor er sich bei 3,70 stabilisierte.
(M.Dylatov--DTZ)