Mutmaßlicher Reichsbürger bestreitet Schuss auf Polizisten
Im Prozess gegen einen mutmaßlichen Reichsbürger vor dem Landgericht Halle hat der Angeklagte den Vorwurf des versuchten Mordes an einem Polizisten bestritten. Zum Auftakt am Montag bezeichnete Adrian U. die Anklage gegen ihn als widerrechtlich. Vor Verhandlungsbeginn sagte er auf die Frage einer Journalistin: "Ich habe eine Waffe in der Hand gehalten, ich habe aber zu keinem Zeitpunkt geschossen."
Dem Angeklagten wird versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstößen gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Der ehemalige Mister Germany soll im August 2016 bei der Zwangsräumung seines Hauses in Reuden in Sachsen-Anhalt auf einen Beamten einen Sondereinsatzkommandos (SEK) geschossen haben.
Als die Beamten das Grundstück betraten, sei U. mit einem Revolver aus dem Haus gekommen und habe ungeachtet der Aufforderung zum Niederlegen der Waffe "direkt auf den Kopf des Polizeibeamten" geschossen, sagte Oberstaatsanwalt Uwe Damaschke. "Er nahm dessen Tod zumindest billigend in Kauf." Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 42-Jährige aus niedrigen Beweggründen handelte.
Das Geschoss traf den Beamten an der Schutzkleidung im Halsbereich und hinterließ dort eine Schürfwunde. Nur dank der Schutzausrüstung kam es der Anklage zufolge nicht zu einer tödlichen Verletzung. Damaschke sagte, der Angeklagte erkenne als sogenannter Reichsbürger die Bundesrepublik Deutschland nicht an.
Ein erster Versuch der Zwangsräumung scheiterte im August vergangenen Jahres zunächst, weil U. Unterstützer mobilisiert hatte. Der selbsternannte Gründer des Ministaats "Ur" sollte das Haus räumen, weil er Verbindlichkeiten für das Grundstück nicht bedient hatte.
Tags darauf, am 25. August 2016, stand der Gerichtsvollzieher wieder vor der Tür - und mit ihm ein Großaufgebot von rund 200 Polizisten. Beim Betreten des Grundstücks wurden die Beamten sofort aus einer Menschengruppe heraus angegriffen und mit Pflastersteinen beworfen. Schließlich kam es zu dem Schusswechsel, bei dem auch U. schwer verletzt wurde.
Vor Gericht berief U. sich darauf, dass er "Widerstand" geleistet habe. In einer mehrseitigen handschriftlichen Erklärung, die er verlas, stellte er sich als Opfer dar. Er sprach von einer "widerrechtlichen Enteignung" seines Grundstücks und von einem "feigen Mordanschlag" der Polizei gegen ihn. U. sieht sich derzeit "gegen meinen Willen in Geiselhaft".
Er selbst bezeichnete sich nicht als Reichsbürger. Allerdings machte U. durch eine Vielzahl seiner Ausführungen deutlich, dass er staatliche Instanzen ablehnt. Den Vorsitzenden Richter Jan Stengel und die beisitzenden Richter nannte er "Spinner", Justizvollzugsanstalten bezeichnete er als "Konzentrationslager".
Die Anklageverlesung hatte sich zunächst verzögert, weil die Verteidigung unter anderem den Antrag stellte, die Anklageschrift nicht zu verlesen und das Verfahren einzustellen. U.s Anwälte kritisierten inhaltliche Fehler und schwere Mängel in der Anklageschrift. Das Gericht verwarf den Antrag.
Der Prozess dauert voraussichtlich noch bis November. Bei einem Schuldspruch könnte U. eine lebenslange Freiheitsstrafe drohen. Die Tat vor gut einem Jahr gilt als Beginn einer Serie von Gewaltattacken sogenannter Reichsbürger in Deutschland.
(U.Stolizkaya--DTZ)