Druck auf Kataloniens Regionalregierung wächst
In der Katalonien-Krise wächst der Druck auf die Regionalregierung in Barcelona. Nachdem am Sonntag hunderttausende Menschen in der Mittelmeermetropole gegen eine Unabhängigkeit der Region im Nordosten Spaniens demonstriert hatten, mehrten sich die Forderungen verschiedener Politiker, auf eine einseitige Unabhängigkeitserklärung zu verzichten. Regionalpräsident Carles Puigdemont drängte Madrid erneut zum Dialog und deutete an, zu einer Unabhängigkeitserklärung bereit zu sein, sollte die Zentralregierung nicht auf die Vermittlungsvorschläge eingehen.
"Wenn der spanische Staat nicht auf positive Weise reagiert, werden wir das tun, wozu wir hergekommen sind", sagte Puigdemont am Sonntag dem katalanischen Fernsehen. "Wir haben die Tür zu einer Vermittlung geöffnet, wir haben ’Ja’ gesagt zu allen uns präsentierten Vermittlungsmöglichkeiten."
Am Sonntag hatten in Barcelona hunderttausende Menschen gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens demonstriert. Die Polizei sprach von rund 350.000 Teilnehmern, die Veranstalter von bis zu 950.000. Einige Demonstranten forderten eine Inhaftierung Puigdemonts wegen der Abhaltung des Unabhängigkeitsreferendums. Andere riefen zum Dialog auf. An der Demonstration beteiligte sich auch der peruanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, der auch die spanische Staatsangehörigkeit hat. Er wandte sich in einer Rede gegen Nationalismus und sprach von einer "Unabhängigkeitsverschwörung".
Der frühere EU-Parlamentspräsident Josep Borrell - selbst Katalane - forderte die Regionalregierung bei der Großdemonstration auf, das Land "nicht an den Abgrund zu drängen". Das Zusammenleben in Spanien müsse wieder hergestellt und der Pluralismus verteidigt werden.
Der Generalsekretär der spanischen Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias, appellierte an die Regionalregierung, nicht einseitig die Unabhängigkeit zu erklären. "Wir raten der katalanischen Regierung zur Vorsicht", sagte er der "Frankfurter Rundschau" vom Montag. "Manche reden sogar schon von militärischer Intervention. Das klingt außerirdisch - aber viele Dinge haben vor einer Woche noch außerirdisch geklungen, und jetzt geschehen sie", sagte Iglesias. Er sprach sich dafür aus, einen Vermittler einzusetzen.
Auch der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte einen Dialog. "Die konstitutionelle Krise, die sich in Spanien entfaltet, erfordert Beratungen und keine Konfrontation", erklärte er. Er rief beide Seiten auf, sich zu einer Lösung durch einen Dialog zu bekennen.
Das katalanische Regionalparlament könnte bereits am Dienstag die Unabhängigkeit von Spanien ausrufen. Eine für Montag geplante Parlamentssitzung hatte das spanische Verfassungsgericht zwar verboten, um die Proklamation der Unabhängigkeit zu verhindern. Puigdemont will dennoch vor das Parlament treten, verschob seine Rede aber auf Dienstag.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy gab sich im Streit um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens bis zuletzt unnachgiebig. Am Sonntag wiederholte er seine Weigerung, "über die Einheit des Landes zu verhandeln". Madrid führe "keine Gespräche unter Drohungen".
(U.Stolizkaya--DTZ)