Durchbruch im Schwesternstreit von CDU und CSU
Nach stundenlangen Verhandlungen haben die Spitzen von CDU und CSU einen Durchbruch im Streit um eine Flüchtlingsobergrenze erzielt. Ein "grundsätzlicher Kompromiss steht", erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Sonntagabend aus Unionskreisen. "Es wird an einer Einigung im Detail gearbeitet."
Eine Runde führender Unionsvertreter um die Parteichefs Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) war am Mittag in der CDU-Parteizentrale in Berlin zu Gesprächen zusammengekommen. Das Ziel lautete, zwei Wochen nach der für sie enttäuschenden Bundestagswahl die Linien für ihre künftige Zusammenarbeit festzulegen. Der Kompromiss in dem Konflikt um die Obergrenze könnte die seit dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 schwer belasteten Beziehungen zwischen CDU und CSU deutlich verbessern. Die Einzelheiten der Verständigung blieben zunächst jedoch offen.
Es gebe bei CDU und CSU das gemeinsame Verständnis, "dass wir begrenzen müssen, weil eine Gesellschaft sonst überfordert wird", sagte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Es gehe darum, zu unterscheiden zwischen Asylrecht nach dem Grundgesetz, Kontingenten für Flüchtlinge sowie gezielter Steuerung von Zuwanderung in den Arbeitsmarkt bei sicheren EU-Außengrenzen.
Das ZDF berichtete, es gebe eine Einigung auf eine Art Flüchtlingskontingente. Dabei solle am Ende auch die von der CSU geforderte Zahl von 200.000 genannt werden. Im Wahlkampf hatte CSU-Chef Seehofer verlangt, Deutschland solle nicht mehr als 200.000 Flüchtlinge jährlich aufnehmen. Als Reaktion auf die herben Verluste der Union bei der Bundestagswahl fordert die CSU, künftig wieder stärker konservative Positionen zu besetzen.
Außer Merkel nahmen an dem Treffen auf CDU-Seite Unionsfraktionschef Volker Kauder, Generalsekretär Peter Tauber, Kanzleramtschef Peter Altmaier und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble teil. Seehofer brachte außer CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Generalsekretär Andreas Scheuer und Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer mit. Die Union müsse etwas in der Hand haben, "mit dem wir in Koalitionsverhandlungen einsteigen können", sagte Spahn. CDU und CSU wollen erst ihren gemeinsamen Kurs klären, bevor sie Gespräche mit FDP und Grünen über eine Jamaika-Koalition aufnehmen. Abhängig davon, wie der von CDU und CSU erzielte Kompromiss aussieht, könnte das solche Verhandlungen jedoch erschweren.
Die Grünen forderten vor möglichen Koalitionsverhandlungen erneut den Verzicht der CSU auf ihre Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge. "Die Asyl-Obergrenze ist verfassungs- und völkerrechtswidrig. Die CSU muss diese Forderung endlich fallen lassen", sagte der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montagsausgaben). Auch Versuche der Union, eine Obergrenze unter anderem Namen einzuführen, seien zum Scheitern verurteilt.
"Wir Grünen werden sehr genau aufpassen, dass eine neue Regierung auf Weltoffenheit und eine menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik setzt", sagte Kindler weiter. So lehne seine Partei Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete, wie nach Afghanistan, entschieden ab. "Flüchtlinge müssen endlich ihre Familien nachholen können. Das Grundrecht auf Asyl darf nicht weiter rasiert werden." (P.Tomczyk--DTZ)