Bis zu 15 Jahre Haft für Menschenrechtsaktivisten in der Türkei gefordert
Die türkische Staatsanwaltschaft hat langjährige Haftstrafen für den inhaftierten deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner und zehn weitere Aktivisten gefordert. Die Anklagebehörde verlange bis zu 15 Jahre Gefängnis, berichtete die Nachrichtenagentur Dogan am Sonntag. Den Angeklagten wird die Unterstützung einer "Terrororganisation" oder die Mitgliedschaft in einer solchen Gruppe vorgeworfen. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte die Haftforderungen als "vollkommen unverständlich und nicht akzeptabel".
Angeklagt sind neben Steudtner unter anderem auch die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Idil Eser, und der türkische Amnesty-Vorsitzende Taner Kilic. Dieser wird der "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" bezichtigt. Den zehn anderen Angeklagten wird die "Unterstützung einer bewaffneten Terrororganisation" zur Last gelegt.
Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, Kilic drohten siebeneinhalb bis 15 Jahre Haft, den anderen Angeklagten fünf bis zehn Jahre. Laut der Agentur Dogan wird den Angeklagten vorgeworfen, die Gülen-Bewegung, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die linksextreme Gruppierung DHKP-C unterstützt zu haben. Sie sollen demnach zudem versucht haben, "Chaos in der Gesellschaft" zu stiften. Acht der Angeklagten befinden sich derzeit in Haft.
Bundesaußenminister Gabriel bezeichnete die Vorwürfe gegen Steudtner als "absolut nicht nachvollziehbar". Das geforderte Strafmaß sei "vollkommen unverständlich und nicht akzeptabel". "Wir haben dazu selbstverständlich sofort den Kontakt zur türkischen Regierung aufgenommen." Die Bundesregierung setze alles daran, Steudtner und andere in der Türkei inhaftierte Deutsche "zurück nach Deutschland zu bringen".
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte der "Bild"-Zeitung vom Montag, die Vorwürfe seien "an Absurdität kaum zu übertreffen". "Es spricht für sich, dass die Türkei jemanden als Terroristen anklagt, weil dieser Seminare über gewaltfreie Konfliktlösung und IT-Sicherheit hielt." Özdemir forderte eine Freilassung der "deutschen Geiseln", sonst werde es keine "Rückkehr zur Normalität zwischen unseren Ländern geben".
Steudtner war am 5. Juli auf der Insel Büyükada vor Istanbul festgenommen worden, als er ein Seminar für türkische Menschenrechtsaktivisten leitete. Neben Steudtner wurden auch der schwedische IT-Spezialist Ali Gharavi und neun türkische Menschenrechtler festgenommen, darunter die türkische Amnesty-Direktorin Eser.
Bereits Anfang Juni war der Vorsitzende der türkischen Amnesty-Sektion, Kilic, festgenommen worden. Dem Anwalt wird Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vorgeworfen, die von der türkischen Regierung für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich gemacht wird.
Die Festnahmen waren international scharf kritisiert worden und hatten die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei weiter belastet. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte Steudtner wie auch den seit Februar inhaftierten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel als deutschen "Spion" bezeichnet und in die Nähe des Terrorismus gerückt.
Der türkische Ministerpräsident Mevlüt Cavusoglu sagte jetzt dagegen in einem Interview, dass er sich für eine Beschleunigung des Verfahrens gegen Steudtner einsetzen werde. Er habe den Innen- und den Justizminister um Hilfe gebeten, sagte Cavusoglu dem "Spiegel" vom Samstag.
Im Fall des "Welt"-Korrespondenten Yücel zeigte der türkische Außenminister dagegen kein Entgegenkommen: Yücel befinde sich als türkischer Staatsbürger wegen Verdachts auf eine Straftat in Haft, die Justiz werde "über seine Schuld oder Unschuld" entscheiden.
(S.A.Dudajev--DTZ)