Spitzen von CDU und CSU wollen Verhältnis klären
Zwei Wochen nach der für sie enttäuschenden Bundestagswahl wollen CDU und CSU am Sonntag prüfen, ob sie noch Schwestern sind: Die Spitzen der Unionsparteien um die Vorsitzenden Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) kommen in Berlin zusammen, um über den künftigen gemeinsamen Kurs zu beraten. Die Flüchtlingspolitik dürfte dabei weiterhin der größte Keil zwischen beiden Seiten sein.
Die CSU hatte im Wahlkampf eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen versprochen, die bei 200.000 Menschen jährlich liegen soll. Merkel lehnte dies stets ab. Mit Interesse dürfte die CDU-Spitze daher am Freitag die Äußerungen von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in der "Passauer Neuen Presse" gelesen haben. Die Obergrenze lasse sich nicht auf "einen Begriff oder eine Zahl verengen", sagte Dobrindt der Zeitung. Diese habe zugleich auch "einen thematischen Unterbau". Dazu zählten die Bekämpfung von Fluchtursachen, der Schutz der Grenzen, die Förderung von Integration sowie beschleunigte Rückführungen und die Benennung sicherer Herkunftsstaaten.
Als Reaktion auf die herben Verluste der Union bei der Bundestagswahl und angesichts der Landtagswahlen in Bayern im nächsten Jahr fordert die CSU, künftig wieder stärker konservative Positionen zu besetzen. Am Sonntag will Seehofer von Merkel wissen, ob sie diesen Weg mitgeht.
Mit Interesse verfolgen auch FDP und Grüne die Diskussionen der Unionsparteien, die sich auch nach Sonntag fortsetzen könnten. Denn erst wenn CDU und CSU ihre Streitpunkte ausgeräumt haben, wollen sie Gespräche mit den beiden potenziellen Koalitionspartnern über ein Jamaika-Bündnis führen.
Außer Merkel sollen an dem Treffen auf CDU-Seite Unionsfraktionschef Volker Kauder, Generalsekretär Peter Tauber, Kanzleramtschef Peter Altmaier und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble teilnehmen. Seehofer bringt außer Dobrindt auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Generalsekretär Andreas Scheuer und Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer mit.
Ein Erfolg in den Beratungen mit der CDU könnten Seehofer stärken, der seit der Bundestagswahl in der eigenen Partei infrage gestellt wird. Am Freitag meldeten sich gleich zwei ehemalige Parteigrößen zu Seehofers politischer Zukunft zu Wort. Der frühere Parteivize Peter Gauweiler drängte Seehofer mit einem abgewandelten Rilke-Zitat zum Rückzug: "Horst, es ist Zeit", sagte Gauweiler der "Süddeutschen Zeitung". Er rate seiner Partei, erst die internen Personalfragen zu klären und dann in Koalitionsverhandlungen zu gehen, fügte Gauweiler hinzu. Die CSU hatte sich trotz massiver Unzufriedenheit mit dem Ergebnis bei der Bundestagswahl dafür entschieden, die Führungsfragen erst auf dem Parteitag im November wieder aufzurufen.
Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein verwies auf den vereinbarten Zeitplan, nannte aber die Diskussion über den Parteivorsitz und die Zukunft von Seehofer verständlich. "Ich bin bei einem Ergebnis von 43,8 Prozent als Ministerpräsident zurückgetreten. Jetzt haben wir 38,5 Prozent. Das ist es schon naheliegend, dass es Diskussionen gibt", sagte Beckstein dem Radiosender Bayern 2. (V.Korablyov--DTZ)