Katalonienkrise spitzt sich zu - Verfassungsgericht verbietet Parlamentssitzung
Die Katalonienkrise spitzt sich weiter zu. Das spanische Verfassungsgericht untersagte am Donnerstag eine für kommende Woche geplante Sitzung des katalanischen Regionalparlaments, bei dem die Abgeordneten womöglich die Unabhängigkeit der Region erklären wollten. Die Zentralregierung in Madrid lehnte zudem eine Vermittlung im Streit um eine Abspaltung Kataloniens ab. Derweil kündigte das Geldhaus Banco Sabadell die Verlegung seines Unternehmenssitzes nach Alicante an.
Das katalanische Regionalparlament wollte sich am Montag mit dem Ausgang des Unabhängigkeitsreferendums vom Sonntag befassen. Bei dem von massiver Polizeigewalt überschatteten Volksentscheid hatten nach Angaben der katalanischen Regionalregierung 90 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeit von Spanien gestimmt.
Das von den katalanischen Sozialisten angerufene spanische Verfassungsgericht hob die Einberufung zur Sitzung nun aber auf, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Das Gericht drohte Parlamentsverantwortlichen bei Missachtung dieser Anordnung zudem mit strafrechtlichen Konsequenzen.
Allerdings haben sich die Verfechter einer katalanischen Unabhängigkeit stets über die Entscheidungen der Madrider Verfassungsrichter hinweggesetzt. Das galt auch für das Urteil des Verfassungsgerichts, das den Volksentscheid für rechtswidrig erklärte.
Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont warf dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy am Mittwochabend vor, nicht auf seine Vorschläge für eine Vermittlung einzugehen - und holte sich umgehend eine neue Abfuhr. "Die Regierung wird über nichts Illegales verhandeln und wird keine Erpressung hinnehmen", erklärte Rajoys Büro. Gespräche werde es erst geben, wenn Puigdemont die Unabhängigkeitsbestrebungen aufgebe.
Zur Verhinderung einer Abspaltung Kataloniens könnte die spanische Regierung unter Rückgriff auf Artikel 155 der Verfassung die Regionalregierung entmachten und Katalonien die Teilautonomie entziehen. Puigdemont sagte der "Bild"-Zeitung vom Donnerstag, er halte sogar seine Verhaftung durch die spanischen Behörden für möglich.
Zugleich erhob Puigdemont schwere Vorwürfe gegen die EU: "Warum wird in der EU das Polizeivorgehen nicht schärfer kritisiert?" Beim Referendum am Sonntag seien grundlegende Freiheitsrechte europäischer Bürger verletzt worden. "Aber von der EU kommt nichts. Wenn das Gleiche in der Türkei, Polen oder Ungarn passiert, ist die Empörung dagegen riesig."
Die aufgeheizte Stimmung lässt die Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts wachsen. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok warnte im Deutschlandfunk, sollte Katalonien tatsächlich die Unabhängigkeit erklären und Madrid der Region den Autonomiestatus entziehen, drohten "neue Konflikte" mit "fast bürgerkriegsähnlichem Charakter".
Auch in der Wirtschaft wachsen die Sorgen: Banco Sabadell - zweitgrößte Bank in Katalonien und fünftgrößte in Spanien - reagierte mit der ab Freitag beginnenden Verlagerung ihres Unternehmenssitzes nach Alicante im Südosten Spaniens auf den Kurseinsturz an der Börse vom Mittwoch. CaixaBank, Nummer eins in Katalonien und Nummer drei in Spanien, kündigte für Freitag eine Sitzung des Aufsichtsrats an, bei der über eine mögliche Verlegung ihres Firmensitzes beraten werden soll.
Ein für kommende Woche in Zypern vorgesehenes Gipfeltreffen der EU-Südländer wurde wegen der Katalonienkrise auf die erste Dezemberhälfte verschoben. Wie die zyprische Präsidentschaft mitteilte, fiel die Entscheidung nach einem langen Telefonat zwischen Staatschef Nicos Anastasiades und dem spanischen Ministerpräsidenten Rajoy.
(M.Dylatov--DTZ)