EU-Parlament fordert von London "konkrete Vorschläge" für Brexit
Wenige Tage vor Beginn der nächsten Brexit-Verhandlungsrunde hat das Europaparlament von London "konkrete Vorschläge" über die Modalitäten des britischen Austritts aus der EU gefordert. Nur so könnten die Verhandlungen beschleunigt werden, betonte das Parlament am Dienstag in einer Entschließung. Bisher würden die Verhandlungen "ernsthaft beeinträchtigt", weil es keine klaren Vorschläge der britischen Regierung gebe. Dies gelte vor allem für die finanziellen Verpflichtungen Londons gegenüber der EU.
Großbritannien müsse seinen finanziellen Verpflichtungen "in vollem Umfang" nachkommen, heißt es in der Entschließung, die von fünf Fraktionen erarbeitet und mit großer Mehrheit angenommen wurde. Notwendig seien auch Garantien für die Rechte der im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürger und den künftigen Status von Nordirland. Erst nach einer Einigung über diese Fragen könne in einer zweiten Phase "auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens" über eine neue Partnerschaft Großbritanniens mit der EU verhandelt werden.
"Wir brauchen eine Lösung", betonte der Verhandlungschef der EU-Kommission für den Brexit, Michel Barnier. "Wir wollen nicht zu 27 bezahlen, was zu 28 beschlossen wurde". Die EU habe eine Rechenschaftspflicht gegenüber ihren Bürgern, Steuerzahlern und Unternehmen. Eine "korrekte Abschlussrechnung" beim britischen Ausscheiden aus der EU sei unverzichtbar.
"Großbritannien muss seine Rechnung begleichen", sagte der Franzose. Nur so könne das Vertrauen geschaffen werden, das für eine künftige dauerhafte Beziehung zwischen der EU und Großbritannien notwendig sei. EU-Vertreter gehen von einer Austrittsrechnung in Höhe von 60 bis 100 Milliarden Euro aus. Medien zufolge will London deutlich weniger zahlen - die Rede ist von rund 20 Milliarden Euro. Ein offizielles Angebot der britischen Regierung steht noch aus.
Sprecher der meisten Fraktionen machten London für die festgefahrenen Brexit-Verhandlungen verantwortlich. Die britische Regierung sei in der Frage völlig zerstritten, sagte der Chef der sozialdemokratischen Fraktion, Gianni Pittella. "Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches fehlt es an Klarheit", betonte auch der Brexit-Beauftragte des Parlaments, der belgische Liberale Guy Verhofstadt. Premierministerin Theresa May und Außenminister Boris Johnson seien sich in der Frage nicht einig. "Wen kann ich in London anrufen, wer ist zuständig für die Verhandlungen?", fragte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU).
In der kommenden Woche beginnt in Brüssel eine neue Verhandlungsrunde - die bislang fünfte. Anschließend wollen die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen am 19. und 20. Oktober in Brüssel die bisherigen Fortschritte prüfen. Erst wenn sie die Fortschritte für ausreichend halten, wollen die Staats- und Regierungschefs grünes Licht für die zweite Verhandlungsphase geben. Dabei geht es um die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU - etwa über den weiteren Zugang zum europäischen Binnenmarkt. May hatte wiederholt gefordert, parallel über die Brexit-Modalitäten und die späteren Beziehungen ihres Landes zur EU zu verhandeln. Dies lehnt die EU jedoch strikt ab. (A.Nikiforov--DTZ)