EU will bis Mitte Oktober Plan für baldige Reformen
Die EU beschleunigt die Debatte über ihre Reform. EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte am Freitag beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Estland an, er werde binnen zwei Wochen "einen sehr konkreten Arbeitsplan" ausarbeiten. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der umfassende Reformpläne vorgelegt hat, sah sich bestätigt. Am Freitag beriet der Gipfel über die digitale Zukunft Europas, Pläne für höhere Steuern für Internet-Konzerne blieben umstritten.
Es gebe "eine breite Bereitschaft", bei der EU-Reform "die Intensität der Zusammenarbeit zu erhöhen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Treffen in Estlands Hauptstadt Tallinn. Tusk werde bis zum nächsten Gipfel am 19. und 20. Oktober einen Vorschlag machen, "in welcher Reihenfolge und in welcher Art und Weise wir diesen Prozess durchführen werden".
Merkel plädierte dafür, in die Reformagenda den digitalen Wandel und Fragen von Migration und Asyl aufzunehmen. "Nach gründlicher Diskussion" könne dann auch über die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion und der Eurozone gesprochen werden, sagte die Bundeskanzlerin. Hier gebe es "sicherlich noch eine Menge Arbeit".
Macron hatte am Dienstag in einer Europarede eine "Neugründung" der EU gefordert und Pläne für einen eigenen Haushalt der Eurozone bekräftigt. Mit Letzterem stößt der Franzose aber bei Teilen der Union und der FDP als möglichem Koalitionspartner Merkels auf Ablehnung, die den Einstieg in eine Transferunion fürchten. Merkel hatte am Donnerstag dennoch "ein hohes Maß an Übereinstimmung" mit Macron festgestellt.
Frankreich habe bekommen, was es wollte, sagte Macron zu dem Gipfelergebnis. Bei den weiteren Gesprächen dürfe sich Europa nun nicht "in technischen Debatten" verlieren. Die Reform müsse 2018 erreicht werden. "In fünf oder 10 Jahren ist es zu spät."
In der Reformdiskussion seien auch "neue Ideen" willkommen, sagte Tusk. Der Ratspräsident warnte aber vor "einer Art Eurovisions-Wettbewerb". Tatsächlich hatte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Mitte September seine Vision von Europas Zukunft dargelegt. Diplomaten hatten schon im Vorfeld des Gipfels vor einem "Wettlauf" zwischen verschiedenen Konzepten gewarnt.
Tusk betonte seinerseits, dass möglichst alle bei der Reform mitgenommen werden müssten. Hier hat insbesondere Polen Sorge: "Europa in verschiedene Geschwindigkeiten, Gruppen, kleine oder große Clubs zu spalten, ist einfach ein Fehler", sagte Regierungschefin Beata Szydlo. "Einige Ideen sind vielleicht nicht gut genug durchdacht oder werden hauptsächlich wegen der Lage zuhause geäußert."
Am Freitag berieten die Staats- und Regierungschefs vor allem über Ziele für eine digitale Wirtschaft und Gesellschaft bis zum Jahr 2025, um Jobs und Wohlstand in der EU zu sichern. Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien hatten im Vorfeld ihre Forderung nach einer stärkeren Besteuerung von Internet-Unternehmen wie Google oder Facebook bekräftigt.
Der Vorschlag sei bei dem Gipfel ’"auf große Ressonanz gestoßen", sagte Merkel. EU-Kommissionspräsident Juncker kündigte an, seine Behörde werde im kommenden Jahr einen Vorschlag vorlegen.
Irlands Regierungschef Leo Varadkar, dessen Land viele Internet-Firmen mit einer niedrigen Unternehmenssteuer angelockt hat, wandte sich aber gegen das Vorhaben. "Wenn Europa digital führend sein will, ist die Lösung nicht mehr Steuern und mehr Regulierung, sondern das Gegenteil", sagte er. Für EU-weit gültige Steuerbeschlüsse ist Einstimmigkeit nötig.
(M.Dylatov--DTZ)