Deutsche Tageszeitung - SPD-Führung: Personaldebatte um Martin Schulz

SPD-Führung: Personaldebatte um Martin Schulz


SPD-Führung: Personaldebatte um Martin Schulz
SPD-Führung: Personaldebatte um Martin Schulz / Foto: ©

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl versucht die SPD-Führung eine Personaldebatte um die Zukunft von Parteichef Martin Schulz im Keim zu ersticken. Die neue SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach sich in der "Bild"-Zeitung dafür aus, dass Schulz auch über den Parteitag im Dezember hinaus im Amt bleibt. Auch Michael Groschek, Chef des mächtigen SPD-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, stellte sich hinter Schulz.

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Die Sozialdemokraten hatten am Sonntag nur 20,5 Prozent der Stimmen bekommen - so wenig wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik. Am Mittwochabend forderte der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) den Rücktritt von Schulz, der "von Anfang an die falsche Wahl" gewesen sei. Schulz habe "keine Ahnung" und "wird die Probleme nicht lösen können", sagte er am Mittwochabend in der ARD-Sendung "maischberger".

Schulz hatte erklärt, als Parteichef die SPD in der Opposition wieder aufrichten zu wollen. Vor der Wahl soll er mit dem Gedanken gespielt haben, auch Fraktionschef zu werden. Nach der historischen Niederlage schlug Schulz dann Nahles vor, die am Dienstag von der Fraktion gewählt wurde und damit die zentrale Gegenspielerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag werden dürfte.

Auf die Frage, ob der gescheiterte Kanzlerkandidat die Partei auch über Dezember hinaus führen könne, sagte die dem linken Parteiflügel zugerechnete Nahles: "Ja sicher. Wir haben die Bundestagswahl gemeinsam verloren."

Groschek machte in der "Rheinischen Post" deutlich, dass der aus Nordrhein-Westfalen stammende Schulz den Rückhalt seines Landesverbands habe. Auch die niedersächsischen Sozialdemokraten wollen Personaldebatten nicht zuletzt mit Blick auf die Landtagswahl am 15. Oktober vermeiden und stärken Schulz den Rücken.

"Martin Schulz wird auch über den Parteitag hinaus an der Spitze der Partei stehen", sagte Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil in einem Interview. Für die schwierigen internen Debatten nach der Wahlniederlage brauche es "einen Parteichef mit hoher Integrationskraft". Dafür sei Schulz "der beste Mann". Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, wies Dohnanyi zurecht. "Wie viele andere Parteien haben auch wir ein Problem mit alten Männern, die eine leichte Profilneurose haben", sagte er der Onlineausgabe der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Wenn man Rentner ist, dann ist man Rentner. Und dann ist es nicht die Aufgabe, der SPD maximal zu schaden."

Von einflussreichen Vertretern der Parteilinken war zu erfahren, dass sie Schulz vor allem wegen seines einbindenden Führungsstils und seiner klaren Absage an eine erneute große Koalition als SPD-Chef unterstützen. Außerdem brauche die Partei nicht schon wieder einen Führungswechsel. Schulz war erst im März zum Parteichef gewählt worden, nachdem Sigmar Gabriel auf Vorsitz und Kanzlerkandidatur verzichtet hatte.

Dennoch gibt es Zweifel, ob sich Schulz bei der Trennung von Partei- und Fraktionsvorsitz längerfristig als SPD-Chef halten kann. Das sozialdemokratische Urgestein Franz Müntefering sieht die Doppelspitze kritisch. "Die Oppositionsstrategie muss an einer Stelle verantwortet werden und eindeutig sein. Bei zwei Zentren ist es komplizierter", sagte er dazu.  (P.Tomczyk--DTZ)

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