Deutsche Tageszeitung - Spannungen steigen nach Referendum der Kurden im Nordirak

Spannungen steigen nach Referendum der Kurden im Nordirak


Spannungen steigen nach Referendum der Kurden im Nordirak
Spannungen steigen nach Referendum der Kurden im Nordirak / Foto: ©

Während die Kurden im Nordirak am Dienstag noch die Stimmzettel ihres umstrittenen Unabhängigkeitsreferendums ausgezählt haben, sind in der Region die Spannungen weiter gestiegen: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte die Kurden vor einem "ethnischen Krieg", sollten sie ihre Unabhängigkeitspläne nicht aufgeben. Die irakische Zentralregierung bereitete ihre Reaktion auf den Volksentscheid vor, der mit einer großen Mehrheit für die Abspaltung ausgehen dürfte.

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Die Kurden im Nordirak hatten am Montag trotz der Ablehnung der irakischen Zentralregierung sowie der Nachbarn Türkei und Iran ein Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Autonomieregion abgehalten. An einer Mehrheit für die Unabhängigkeit besteht kein Zweifel, doch ist offen, welche Folgen der Volksentscheid haben wird. Wenn Kurdenführer Massud Barsani diesen "Fehler" nicht umgehend korrigiere, werde er "mit der Schande in die Geschichte eingehen, die Region in einen ethnischen und konfessionellen Krieg gestürzt zu haben", warnte Erdogan in Ankara. Er warf Barsani "Verrat an unserem Land" vor und warnte, sein "Abenteuer" könne nur "ein dunkles Ende" nehmen. Erdogan hatte die Kurden im Nordirak zuvor bereits vor einer militärischen Intervention der Türkei wie gegen die Kurden in Nordsyrien gewarnt.

Laut der kurdischen Wahlkommission gaben 72 Prozent der 4,58 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Allerdings lag die Wahlbeteiligung in der Region Suleimanija, wo Barsanis Rivalen von der Partriotischen Union Kurdistans (PUK) stark sind, nur bei 50 Prozent. In der Provinz Kirkuk, die nicht zur Kurdenregion gehört, gab es in den kurdischen Vierteln eine rege Beteiligung.

Barsani hat angekündigt, mit Bagdad "ernsthafte Gespräche" über ausstehende Streitfragen führen zu wollen. Iraks Regierungschef Haidar al-Abadi kritisierte aber eine "einseitige Entscheidung gegen die Einheit des Irak". Der schiitische Abgeordnete Ali al-Alak sagte, al-Abadi werde am Mittwoch im Parlament über die zu ergreifenden Maßnahmen sprechen.

Das irakische Parlament hatte die Regierung am Montag aufgefordert, Truppen in die zwischen Bagdad und den Kurden umstrittenen Gebiete zu schicken. Dabei geht es um die ölreiche Provinz Kirkuk und Teile von Ninive, Dijala und Salaheddin, die die Kurden seit 2014 im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Bisher ist die Regierung der Aufforderung des Parlaments zur Entsendung von Truppen nicht nachgekommen. Sollte sie dies tun, käme es einer Kriegserklärung gleich. Schiitische Milizen haben ebenfalls gedroht, eine Abspaltung der Kurdenregion nicht hinzunehmen. Die Türkei und der Iran hielten ihrerseits an der Grenze zum Irak Militärmanöver ab.

Erdogan drohte den Kurden am Dienstag auch mit wirtschaftlichen Sanktionen, sollten sie nicht einlenken. "Wenn wir den Hahn (der Ölpipeline) zudrehen, wird ihr gesamtes Einkommen wegfallen", warnte Erdogan. Niemand außer Israel werde ihre Unabhängigkeit anerkennen.

Die kurdische Autonomieregion ist zum Export ihres Erdöls auf eine Pipeline durch die Türkei angewiesen. Bisher unterhielt Ankara freundschaftliche Beziehungen zu Barsani, doch fürchtet die Türkei, dass eine Abspaltung der Kurdenregion die eigene kurdische Minderheit in ihrem Unabhängigkeitsstreben bestärkt.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich besorgt über die "potenziell destabilisierenden Konsequenzen" des Referendums. Er respektiere "die Souveränität, territoriale Integrität und Einheit des Irak", und alle Streitfragen zwischen Erbil und Bagdad sollten "durch Dialog und konstruktive Kompromisse gelöst werden", sagte sein Sprecher.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte es "bedauerlich", dass Barsani das Referendum trotz aller Warnungen abgehalten habe. Die Bundesregierung sei "in großer Sorge", dass das Referendum den Irak weiter destabilisiere. Syriens Außenminister Walid Muallim nannte das Referendum "völlig inakzeptabel", zeigte sich aber offen für Gespräche mit den syrischen Kurden über Autonomie.  (P.Tomczyk--DTZ)

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