Juncker: EU braucht stabile deutsche Regierung "mehr denn je"
Nach der Wahl in Deutschland hofft EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf die rasche Bildung einer handlungsfähigen Bundesregierung, um Europa zu stärken. "Angesichts großer globaler Herausforderungen braucht Europa jetzt mehr denn je eine stabile Bundesregierung, die tatkräftig an der Gestaltung unseres Kontinents mitwirkt", schrieb Juncker in einem am Montag veröffentlichten Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Besorgt zeigten sich Kommissionsvertreter über den Einzug der AfD in den Bundestag.
Der gleichfalls konservative Juncker gratulierte Merkel in dem Brief "sehr herzlich" zum vierten Wahlsieg in Folge. "Für die nun anstehenden Koalitionsverhandlungen wünsche ich Ihnen eine glückliche Hand", schrieb der Kommissionspräsident. Bei der künftigen Gestaltung Europas würden Merkels "intime Kenntnis der europäischen politischen Zusammenhänge" für alle Akteure "von unschätzbarem Wert" sein.
Einem Sprecher zufolge sprach Juncker am Montagmorgen mit Merkel. Schon am Sonntag telefonierte der Kommissionschef demnach mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der am Dienstag eine Rede zur EU-Zukunft halten will und insbesondere eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion anstrebt.
Macron hat unter anderem vorgeschlagen, ein eigenes Eurozonen-Budget zu schaffen, aus dem Zukunftsinvestitionen und Nothilfe für Länder in Wirtschaftskrisen finanziert werden sollen. Und er plädiert für einen europäischen Wirtschafts- und Finanzminister. Die Pläne stoßen bei der FDP auf Vorbehalte, die in einer möglichen Jamaika-Koalition neben den Grünen und der CSU einer der Partner von Merkels CDU sein könnte.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte vergangene Woche bereits einen eigenen Gipfel der Euro-Staaten angesetzt, um die unterschiedlichen Reformpläne für die Währungsunion zu diskutieren. Tusk will erreichen, dass Entscheidungen "spätestens bis Juni kommenden Jahres" getroffen werden.
Die Kommission erwarte, dass sich die Reformdebatte nun "verstärken" werde, sagte der Juncker-Sprecher. Der Kommissionspräsident sei dabei seinerseits "ermutigt" durch die Resonanz auf seine Rede zur Lage der Union Mitte September, in welcher er seine Vorstellungen für eine EU-Reform skizziert hatte. Darin hatte sich Juncker zwar auch für einen europäischen Wirtschafts- und Finanzminister ausgesprochen, aber Macrons Plan für ein eigenes Eurozonen-Budget abgelehnt.
Die EU-Kommission hoffe, dass eine neue Bundesregierung nach den Koalitionsverhandlungen "die Diskussionen über eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion erleichtern wird", sagte der für den Euro zuständige Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Die Kommission "sehe die Möglichkeit, eine Einigung zu erreichen".
Auf Sorge in der EU stieß unterdessen der erstmalige Einzug der AfD in den Bundestag. Dies sei ein "Schock", schrieb der französische Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici noch am Sonntagabend im Kurznachrichtendienst Twitter. Dies lege "Zweifel in der Gesellschaft" offen.
"Wir sind natürlich besorgt über den Aufstieg extremer Parteien", sagte EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen. Eine der Antworten darauf müsse sein, "ein soziales Europa Wirklichkeit werden zu lassen".
Die Kommission vertraue auf die Demokratie, sagte Junckers Sprecher. Der Kommissionschef habe immer wieder gesagt, dass Europas Politik "Selbstgefälligkeit vermeiden" müsse und "zwischen denen unterscheiden, die unsere Politik hinterfragen, und denen, die einfach nur die Europäische Union zerstören wollen".
(A.Nikiforov--DTZ)