May versucht Bewegung in die Brexit-Verhandlungen zu bringen
Die britische Premierministerin Theresa May hat versucht, Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen über den EU-Austritt ihres Landes zu bringen. Sie kündigte am Freitag in Florenz an, britische Gerichte könnten bei Streitigkeiten über die Rechte von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs "berücksichtigen". Sie sicherte gleichzeitig zu, London werde seine finanziellen Verpflichtungen aus der EU-Mitgliedschaft erfüllen. Sie sprach sich zudem für eine zweijährige Übergangsphase nach dem Brexit im März 2019 aus.
Der Erfolg der Verhandlungen mit der EU sei "in unser aller Interesse", sagte May in einer Rede im italienischen Florenz. "Wenn wir scheitern oder uneins sind, würden nur diejenigen profitieren, die unsere Werte ablehnen." Sie forderte, in den Verhandlungen "fantasievoll und kreativ" zu sein, um eine neue Beziehung zwischen beiden Seiten aufzubauen. Die Briten hatten im Juni vergangenen Jahres mehrheitlich für den EU-Austritt gestimmt. May reichte darauf im März den offiziellen Austrittsantrag ein. Damit begann eine zweijährige Frist bis zum Verlassen der Union. Seit Juni verhandeln die EU und Großbritannien über die Austrittsbedingungen. Bisher gab es kaum Fortschritte.
In der ersten Phase geht es zunächst um die künftigen Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, die Finanzforderungen an London und den Status Nordirlands. Erst wenn es in diesen Bereichen "ausreichende Fortschritte" gibt, will die EU die zweite Phase der Verhandlungen einläuten, in der auch über die künftigen Beziehungen und ein mögliches Handelsabkommen gesprochen wird.
Im Streit um die in Großbritannien lebenden EU-Bürger ging May nun einen Schritt auf Brüssel zu. "Ich möchte, dass die britischen Gerichte die Urteile des Europäischen Gerichtshofs berücksichtigen können", sagte sie. Ziel sei es, "eine einheitliche Interpretation" bei Rechtsfragen sicherzustellen. Die EU fordert, dass Großbritannien nach dem Brexit in diesem Bereich weiter die Rechtsprechung des EuGH anerkennt.
"Das Vereinigte Königreich wird seine Verpflichtungen, die wir während der Zeit unserer Mitgliedschaft eingegangen sind, einhalten", sagte May unterdessen zu der Finanzfrage. Eine konkrete Summe nannte sie nicht, nachdem Medien im Vorfeld über eine Summe von mindestens 20 Milliarden Euro berichtet hatten.
Brüssel verlangt, dass London alle Verpflichtungen aus dem mehrjährigen EU-Finanzrahmen bis 2020 erfüllt - also noch mehr als anderthalb Jahre nach dem Brexit. Hinzu kommen Forderungen etwa für Pensionszahlungen an EU-Beamte und Garantien für Kredite der EU an Drittstaaten. Insgesamt wird der Betrag in Brüssel auf 60 bis 100 Milliarden Euro beziffert.
Zu der Übergangsphase sagte May, es sei klar, dass keine Seite in der Lage sein werde, künftige Austrittsvereinbarungen bis zum Brexit im März 2019 "reibungslos umzusetzen". Heute deute alles darauf hin, dass "ein Umsetzungszeitraum von ungefähr zwei Jahren" nötig sei. In dieser Zeit sollten britische Unternehmen unter den heutigen Bedingungen weiter Zugang zum europäischen Binnenmarkt haben und umgekehrt EU-Unternehmen zum britischen Markt.
In der Übergangszeit will May unter Einschränkungen auch die Personenfreizügigkeit im Binnenmarkt akzeptieren. "Menschen werden weiter in der Lage sein, in das Vereinigte Königreich zu kommen und dort zu leben und zu arbeiten", sagte sie. Für die Zuwanderer werde es aber "ein Registrierungssystem geben." (W.Novokshonov--DTZ)