Warnungen an USA vor Aufkündigung des Iran-Atomabkommens
Europäische Politiker haben eindringlich an die USA appelliert, am Atomabkommen mit dem Iran festzuhalten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagten nach einem Treffen von Vertretern der Unterzeichnerstaaten am Mittwoch (Ortszeit) in New York, die Vereinbarung funktioniere. Verständnis für die US-Kritik an dem Abkommen kam indes von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron; auch er will aber am Kern der Vereinbarung festhalten.
Das Treffen der Außenminister der UN-Vetomächte, Deutschlands und des Iran in New York fand auf Initiative europäischer Minister statt. Es war zugleich die erste direkte Zusammenkunft zwischen US-Außenminister Rex Tillerson und seinem iranischen Kollegen Mohammed Dschawad Sarif. Tillerson verwies im Anschluss auf weiter bestehende "große Probleme" der USA mit dem Abkommen. Es bestünden "bedeutende Meinungsverschiedenheiten". Insbesondere einen Passus, wonach die Beschränkungen für die iranische Urananreicherung nach dem Jahr 2025 gelockert werden, halte US-Präsident Donald Trump für "inakzeptabel".
Mogherini betonte nach dem Treffen, das Atomabkommen werde von allen Beteiligten eingehalten. Die Unterzeichnerstaaten seien sich einig, dass das Abkommen respektiert werde und alle Beteiligten ihre Verpflichtungen erfüllten. Es bestehe keine Notwendigkeit, Teile der Vereinbarung neu zu verhandeln, da diese "funktioniere".
Sie warnte davor, angesichts des Konflikts mit Nordkorea den Atomdeal aufzukündigen: "Wir haben bereits eine mögliche Atomkrise. Wir brauchen ganz sicher nicht noch eine."
Bundesaußenminister Gabriel betonte, Deutschland habe "jedes Interesse, das Atomabkommen mit dem Iran nicht zu gefährden und erst recht nicht aufzukündigen - nicht jetzt, und nicht in der Zukunft". In den zwei Jahren seit seinem Inkrafttreten habe sich gezeigt, "dass das Abkommen funktioniert und eine gefährliche nukleare Proliferation in der Region verhindert hat".
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte am Donnerstag, Deutschland habe "hohes Interesse" an dem Abkommen, "es darf nicht ohne jeden Anlass in Frage gestellt werden". Sie verwies dabei auch auf deutsche Wirtschaftsinteressen.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sagte der "Heilbronner Stimme", kein Deal bedeute keine Inspektionen und unbegrenzte Uran-Anreicherung im Iran. Das wäre "der schnellste Weg zu einer iranischen Atombombe".
Die US-Regierung von Trumps Vorgänger Barack Obama hatte zugestimmt, dass sich das Atomabkommen ausschließlich auf den Atomaspekt konzentriert. Auch europäische Diplomaten verweisen angesichts der Kritik der Trump-Regierung darauf, dass das Abkommen einzig darauf abziele, den Iran am Erwerb der Atombombe zu hindern.
Tillerson argumentiert hingegen, dass in der Präambel des Abkommens festgeschrieben sei, dass dieses zu einer Stabilisierung des Nahen Ostens führen solle. Der Iran hingegen bleibe in der Region eine Quelle der Instabilität.
Bei Macron stieß die US-Kritik zumindest teilweise auf Zustimmung. Zwar plädierte er in seiner UN-Rede dafür, am Kern des Abkommens festzuhalten, schlug aber vor, Einschränkungen für die Entwicklung ballistischer Raketen einzubauen und den Passus zur Lockerung der Beschränkungen für die iranische Urananreicherung nach 2025 zu streichen.
Trump hatte am Dienstag vor der UN-Vollversammlung mit der Aufkündigung des Atomabkommens gedroht. Am 15. Oktober steht die nächste offizielle Stellungnahme der US-Regierung gegenüber dem Kongress dazu an, ob sich der Iran an die Auflagen aus dem Abkommen hält oder nicht. Trump hat nach eigenen Angaben bereits eine Entscheidung diesbezüglich getroffen, will sie vorher aber nicht bekanntgeben.
Sollte die US-Regierung nicht bestätigen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden, würden aufgehobene Sanktionen wieder in Kraft treten. Dies wäre nach Diplomatenangaben das politische Aus für das Atomabkommen.
Der Iran hat indes bereits ausgeschlossen, den Atomdeal neu zu verhandeln. Präsident Hassan Ruhani sagte am Mittwoch in New York, sollte das Abkommen aufgekündigt werden, werde eine große Chance für die Welt vertan. (V.Sørensen--DTZ)