Kataloniens Bürgermeister trotzen Druck aus Madrid
Zwei Wochen vor dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien haben die meisten Bürgermeister der Region dem Druck aus Madrid getrotzt: Hunderte Amtsträger demonstrierten am Wochenende für den Volksentscheid, den die Zentralregierung mit aller Macht verhindern will. Im Baskenland zeigten sich zehntausende Menschen solidarisch mit dem katalanischen Streben nach einer Loslösung von Spanien.
Mehr als 700 der 948 katalanischen Bürgermeister versammelten sich am Samstag am Sitz der Regionalregierung in Barcelona, wo sie von Regierungschef Carles Puigdemont empfangen wurden. Sie schwenkten ihre Amtsstäbe und riefen "Wir werden abstimmen" und "Unabhängigkeit". Puigdemont will die Region so schnell wie möglich von Spanien loslösen, falls die Bürger bei dem Volksentscheid am 1. Oktober "Ja" sagen.
Während die Lokalpolitiker die katalanische Hymne "El segadors" anstimmten, rief eine vor dem Regierungssitz versammelte Menge: "Wir stehen hinter euch." Die spanische Generalstaatsanwaltschaft hatte am Mittwoch die Staatsanwälte in Katalonien angewiesen, alle Bürgermeister vorzuladen, die sich an der "Organisation der illegalen Abstimmung" beteiligen wollen. Wenn die Kommunalpolitiker dieser Aufforderung nicht nachkämen, könnten sie festgenommen werden.
"Wir sind keine Verbrecher", riefen zahlreiche Bürgermeister, darunter Josep Sole, der dem Dorf La Maso vorsteht. Trotz der Gefahr einer Festnahme schlafe er "vollkommen ruhig", sagte der 74-jährige Politiker der Nachrichtenagentur AFP. Er demonstriere nicht für die Unabhängigkeit, sondern für das Wahlrecht der Katalanen.
Puigdemont wandte sich bei der Demonstration gegen die "Drohungen" aus Madrid. "Unterschätzen Sie nicht die Kraft des katalanischen Volkes", sagte er mit Blick auf den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, der die Katalanen zum Boykott der Abstimmung aufgerufen hat.
Unterdessen steigt der Druck auf die Amtsträger: Mehrere Bürgermeister berichteten AFP von verbalen Attacken. Der Bürgermeister des Ortes Lerida, Angel Ros, sagte AFP, er werde vor allem über soziale Netzwerke massiv beleidigt, zumeist von anonymen Nutzern. Der Bürgermeister der Kleinstadt Baga, Nicolas Viso Alamillos, sprach sogar von Morddrohungen über das Internet: "Sie haben mich verwarnt, dass sie mir mein Auto und mein Haus wegnehmen und mich erschießen", sagte er.
Im Regionalparlament in Barcelona haben die Unabhängigkeitsbefürworter seit 2015 die Mehrheit. Viele größere katalanische Städte sind aber gegen eine Loslösung von Spanien. In Umfragen liegen die Gegner einer Abspaltung derzeit mit gut 49 zu 41 Prozent leicht vorne.
Mit Argwohn wird in Madrid gesehen, auf welche Sympathie die Referendumspläne im nordspanischen Baskenland stoßen. In Bilbao beteiligten sich am Samstagabend 35.000 Menschen an einer Solidaritäts-Demonstration, wie die Organisatoren mitteilten. Sie hielten Nationalflaggen Kataloniens und des Baskenlandes hoch.
Die Regionalabgeordnete Jasone Agirre Garita sagte in Bilbao, die Demonstranten wollten "zeigen, dass sie für die Demokratie sind und für das Grundrecht, zu entscheiden". Zudem verurteilten sie "die antidemokratische Haltung des spanischen Staates". Zu der Demonstration hatte die Organisation Gure Esku Dago aufgerufen, die sich für die Selbstbestimmung der Basken einsetzt.
Im Baskenland hatte jahrzehntelang die Untergrundorganisation ETA gewaltsam für die Unabhängigkeit von der Zentralregierung in Madrid gekämpft. Erst 2011 gab die Gruppierung ihren bewaffneten Kampf auf.
(P.Tomczyk--DTZ)