btw17: Merkel will wirtschaftlichen Druck auf die Türkei erhöhen
Im Konflikt mit der Türkei um dort inhaftierte Deutsche setzt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf wirtschaftlichen Druck. "Wir werden unsere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Türkei weiter zurückfahren müssen und Projekte auf den Prüfstand stellen", um die Freilassung der Gefangenen zu erreichen, sagte Merkel in einem aktuellen Interview. Die Kommunikation mit der Regierung in Ankara will sie aber nicht abbrechen.
Denn "sonst werden wir gar nichts erreichen", sagte Merkel der Zeitung weiter. Es sei empörend, dass eine ganze Reihe von deutschen Staatsbürgern in der Türkei in Haft sitze. Die Bundesregierung setze sich auf allen zur Verfügung stehenden Wegen dafür ein, die Landsleute in Freiheit zu bringen, beteuerte Merkel. "Wir betreuen die Inhaftierten konsularisch so gut wir können, auch das wird von der Türkei aber leider in einigen Fällen sehr erschwert." Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, nicht entschieden genug gegenüber dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan aufzutreten. Merkels Ankündigung "jetzt nach Jahren der engen Zusammenarbeit mit Erdogan den Druck auf die Türkei erhöhen zu wollen, ist einfach nicht glaubwürdig", erklärte die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen. "Sonst müsste sie sofort die Waffenexporte und Geldzahlungen an den Diktator stoppen" sowie die im Rahmen einer Nato-Mission auf dem türkischen Stützpunkt Konya stationierten Bundeswehrsoldaten abziehen.
Auch der Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir kritisierte das Verhalten der Bundesregierung als unzureichend. "Ich würde stattdessen die Hermes-Bürgschaften aussetzen, keine Rüstungsgüter mehr liefern und eine klare Reisewarnung aussprechen, so lange, bis Erdogan die deutschen Geiseln freilässt", sagte Özdemir der "Welt".
Zuletzt waren immer wieder Deutsche in der Türkei inhaftiert worden, wodurch sich die Beziehungen zwischen Berlin und Ankara massiv verschlechterten. Zu den bekanntesten Fällen gehören der "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel und der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner. Insgesamt befinden sich derzeit aber 54 deutsche Staatsbürger in türkischer Haft, wie das Auswärtige Amt auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu mitteilte.
Dabei seien Fälle von Polizeigewahrsam und Untersuchungshaft ebenso erfasst wie Inhaftierungen zur Strafverbüßung, berichtete die "Bild"-Zeitung (Samstagsausgabe). 19 Deutsche seien 2017 inhaftiert worden, die übrigen im Zeitraum von 2006 bis 2016. Elf der Festgenommenen seien im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 in Haft genommen worden. (W.Novokshonov--DTZ)