Venezuelas verfassunggebende Versammlung reißt Gesetzgebungsvollmachten an sich
Die Ende Juli gewählte verfassunggebende Versammlung Venezuelas hat am Freitag Gesetzgebungsvollmachten des bisherigen Parlaments an sich gerissen. Die Versammlung verabschiedete einstimmig ein entsprechendes Dekret. Darin spricht sich die Verfassungsversammlung die Befugnis zur Gesetzgebung zu. Die Opposition im Parlament wies das Ansinnen umgehend zurück.
Die Befugnis zur Gesetzgebung verordnete sich die Verfassungsversammlung nach eigenen Angaben für Angelegenheiten zum "Schutz des Friedens, der Sicherheit, der Souveränität, des sozioökonomischen und finanziellen Systems, des Staatseigentums und des Vorrangs der Rechte der Venezolaner".
In dem Dekret heißt es, "alle Organe der öffentlichen Gewalt" seien künftig der Verfassunggebenden Versammlung untergeordnet. Die Vorsitzende, Ex-Außenministerin Delcy Rodríguez, erklärte, die Versammlung sei dazu berufen, "für Ordnung zu sorgen". Das Präsidium des von der Opposition dominierten Parlaments hingegen unterstrich, es erkenne die "betrügerische" verfassunggebende Versammlung ebenso wenig an wie alle aus ihr hervorgehenden Handlungen.
"Die Nationalversammlung, die internationale Gemeinschaft und das Volk werden die Entscheidung zur Annullierung nicht respektieren", erklärte das Parlament über den Kurzbotschaftendienst Twitter. Es handele sich um einen "Staatsstreich".
Die abgesetzte venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega erklärte derweil, sie habe Beweise, dass Staatschef Nicolás Maduro und sein engster Kreis in den Bestechungsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht verstrickt seien.
Die Führungsriege in Caracas sei "sehr besorgt und ängstlich, weil sie wissen, dass wir Details über die ganze Zusammenarbeit, Summen und Menschen, die reich wurden, haben, und diese Ermittlung schließt Herrn Nicolás Maduro und seinen inneren Zirkel mit ein", sagte Ortega bei einem Treffen lateinamerikanischer Staatsanwälte in Mexiko.
Ortega war vor zwei Wochen abgesetzt worden. Sie gilt als eine der wichtigsten Gegenspielerinnen von Präsident Maduro, dem sie "diktatorische Ambitionen" vorwirft.
Der weitverzweigte Odebrecht-Korruptionsskandal erschüttert derzeit ganz Lateinamerika. Die Ermittlungen gegen den Bauriesen begannen 2014 und förderten nach und nach ein ausgeklügeltes System zur Zahlung von Schmiergeldern an Politiker, Parteien, Staatsbeamte und Manager zutage. Das Unternehmen gab zu, in zwölf Ländern illegale Zahlungen in Höhe von 788 Millionen Dollar (671 Millionen Euro) geleistet zu haben, um sich öffentliche Aufträge zu sichern.
In Venezuela tobt seit Monaten ein erbitterter Machtkampf zwischen dem linksnationalistischen Präsidenten Maduro und der Mitte-rechts-Opposition. Die auf Geheiß von Maduro gewählte verfassunggebende Versammlung soll die Verfassung novellieren. Die Opposition, die die Wahl Ende Juli boykottiert hatte, erkennt die Versammlung nicht an. Mehrere Staaten der Region verweigerten ihr ebenfalls die Anerkennung. (U.Beriyev--DTZ)