Rückendeckung für kritische Richter in Polen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat erneut die Justizreformen in Polen kritisiert und kritischen Richtern den Rücken gestärkt. In einem am Mittwoch verkündeten Urteil mahnten die Luxemburger Richter eine unabhängige Überprüfung von Rechtsmitteln gegen die Versetzung von Richtern an. Die derzeitige Situation lasse den Schluss zu, dass dies "offensichtlich" nicht gewährleistet sei. Formal muss darüber aber das Oberste Gericht in Warschau entscheiden. (Az: C-487/19)
Angestoßen wurde das Verfahren von einem Richter eines polnischen Regionalgerichts. Er war 2018 gerichtsintern versetzt und so faktisch degradiert worden. Die am Obersten Gericht geschaffene "Kammer für außerordentliche Überprüfung" wies die Beschwerde des Richters jedoch ab.
Wie die Disziplinarkammer sieht sich auch die "Kammer für außerordentliche Überprüfung" mit der Kritik eines zu großen politischen Einflusses konfrontiert. Ihre Mitglieder werden auf Vorschlag des Landesjustizrats vom polnischen Präsidenten berufen. Der Landesjustizrat wird von der Abgeordnetenkammer gewählt.
Die EU-Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Mit einem Eilbeschluss setzte die Vizepräsidentin des EuGH die Arbeit beider Kammern bis zum Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens aus. Polen hält sich daran aber nicht, das polnische Verfassungsgericht verschob mehrfach eine Entscheidung.
In Polen selbst sind zudem Klagen nicht in die Kammer berufener Richter anhängig. Das Oberste Verwaltungsgericht setzte daher die Ernennung weiterer Richter der Überprüfungskammer aus. Der versetzte Richter rügt, dass trotz dieser Verfahren weitere Richter in die "Kammer für außerordentliche Überprüfung" berufen worden seien, die dann über seine Beschwerde entschieden hätten.
Der EuGH betonte nun die richterliche Unabhängigkeit. Die nicht einvernehmliche Versetzung eines Richters könne hiergegen verstoßen. Daher müsse es wirksame Rechtsmittel gegen eine solche Versetzung geben, über die unabhängige Richter entschieden.
Nach dem diplomatisch formulierten Urteil lassen im konkreten Fall die Umstände den Schluss zu, dass Richter der Überprüfungskammer "unter offensichtlicher Missachtung der Grundregeln des Verfahrens" berufen wurden. Dies könne Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz in Polen aufkommen lassen.
Letztlich müsse dies aber die Kammer des Obersten Gerichts entscheiden, die dem EuGH den Streit vorlegte. Dort gibt es immer noch Kammern, die sich gegen die Justizreformen wehren. Komme diese hier zu derselben Überzeugung wie der EuGH, sei die Abweisung der Beschwerde des versetzten Richters nichtig.
(W.Novokshonov--DTZ)