Deutsche Tageszeitung - Parteien stellen nach Wahl Weichen für Verhandlungen über künftige Regierung

Parteien stellen nach Wahl Weichen für Verhandlungen über künftige Regierung


Parteien stellen nach Wahl Weichen für Verhandlungen über künftige Regierung

Nach der Bundestagswahl haben die Parteien erste Weichen für eine Regierungsbildung gestellt. SPD-Wahlsieger Olaf Scholz sagte am Montag, er wolle mit FDP und Grünen eine "Ampel"-Koalition bilden. Trotz seiner Wahlschlappe bekräftigte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, CDU und CSU stünden für Gespräche über eine "Jamaika"-Koalition bereit. Grünen-Chef Robert Habeck hält allerdings eine "Ampel" für die "naheliegendste Option". Die FDP beschloss, zeitnah mit den Grünen "Vorsondierungen" führen zu wollen.

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SPD, Grüne und FDP seien aus der Wahl gestärkt hervorgegangen, sagte Scholz. "Diese drei Parteien sollen auch die nächste Regierung führen." CDU und CSU hätten "nicht nur erheblich an Stimmen verloren". Sie hätten von den Bürgern die Botschaft erhalten, "sie sollen jetzt in die Opposition gehen."

Die Sozialdemokraten erhielten laut dem vorläufigen Endergebnis bei der Bundestagswahl 25,7 Prozent der Stimmen. Dies sind gut fünf Prozent mehr als vor vier Jahren. Die Union verlor fast neun Prozent auf 24,1 Prozent und verbuchte damit ihr historisch schlechtestes Ergebnis.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte eine "klare und schonungslose Analyse" der Wahl. Die Verluste seien "bitter". Laschet sagte, er wisse, dass er einen persönlichen Anteil an der Niederlage habe.

Laschet will aber Parteichef bleiben und betonte, aus dem knappen Wahlergebnis könne keine Partei einen Regierungsauftrag ableiten. Bundeskanzler werde derjenige, der eine Mehrheit im Bundestag hinter sich bringe. Ein "Jamaika"-Bündnis könne eine "gesellschaftliche Breite" abbilden, sagte er. CSU-Chef Markus Söder schloss aber eine Regierungsbeteiligung "um jeden Preis" aus.

Ohne Festlegung auf eine der beiden Dreier-Koalitionen beschloss der FDP-Bundesvorstand "Vorsondierungen" mit den Grünen über eine mögliche Regierungszusammenarbeit. Zwischen den beiden Parteien gebe es "die größten inhaltlichen Unterschiede", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Daher sei es sinnvoll, dass sie zuerst miteinander sprächen.

Grünen-Chef Habeck sagte, dass seine Partei eine "Ampel" mit der SPD für am naheliegendsten halte, schließe jedoch Gespräche mit der Union nicht aus. Spitzenkandidatin Annalena Baerbock gab als Ziel aus, Klimaschutz müsse in einer neuen Regierung Querschnittsaufgabe über alle Ressorts hinweg sein.

Auch wenn Hoffnungen auf einer Kanzlerschaft Baerbocks schon im Sommer zerstoben waren, fuhren die Grünen am Sonntag mit 14,8 Prozent das beste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Leicht zulegen konnte auch die FDP, die auf 11,5 Prozent kam.

Deutliche Verluste musste die AfD verbuchen, die 10,3 Prozent erreichte. Hier zeigten sich am Montag offene Konflikte in der Parteispitze. Während sich das Spitzenduo Alice Weidel und Tino Chrupalla insgesamt zufrieden zeigte, übte Ko-Parteichef Jörg Meuthen scharfe Kritik am Auftritt seiner Partei.

Die Linke kündigte nach dem Wahldebakel eine Neuaufstellung an. Sie hatte 4,9 Prozent erzielt und kommt lediglich aufgrund der Grundmandatsklausel in Fraktionsstärke noch ins Parlament. Diese "schwere Niederlage" verstehe sie als "letzte Chance", die Partei nach vorne zu entwickeln, sagte Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow.

Die Wahl ließ den Bundestag auf eine neue Rekordgröße anwachsen. Mit 735 Abgeordneten ist er nochmals 26 Sitze größer als bisher. "Das schadet der Arbeitsfähigkeit und damit der Demokratie", sagte der FDP-Wahlrechtsexperte Marco Buschmann. Der Bund der Steuerzahler sprach von Mehrkosten von mindestens 410 Millionen Euro gegenüber der gesetzlichen Sollgröße von 598 Abgeordneten.

Im neuen Parlament kommt die SPD laut vorläufigem amtlichen Endergebnis auf 209 Sitze, bei der CDU sind es 151 und bei der CSU 45. Die Grünen können 118 Abgeordnete ins neue Parlament schicken, die FDP 92, die AfD 83 und die Linke 39.

Erstmals seit fast 70 Jahren bekommt auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) einen Sitz. Für die Partei der nationalen Minderheiten der Dänen und Friesen gilt die Fünf-Prozent-Sperrklausel nicht.

(P.Tomczyk--DTZ)

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