Union und SPD streiten um die Macht in Niedersachsen
Scharfe Töne zwischen Union und SPD im Zuge der niedersächsischen Regierungskrise: CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder nennt die Sozialdemokraten "eine Truppe von Heuchlern", die SPD wirft der CDU einen "beispiellosen Verfall der politischen Moral" vor. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) will am kommenden Montag (07.08.2017) mit allen Fraktionen sprechen. Die Abgeordnete Elke Twesten, die mit ihrem Wechsel von den Grünen zur CDU die Regierung Weil zu Fall brachte, wies den Vorwurf des Verrats zurück.
Weil hatte am Freitagnachmittag angekündigt, er strebe vorgezogene Neuwahlen an. Zuvor hatte Twesten ihren Wechsel zur CDU verkündet, der am Dienstag offiziell vollzogen werden soll. Dadurch verliert die rot-grüne Koalition ihre Mehrheit, die nur eine Stimme betragen hatte. Stattdessen würde es für Schwarz-Gelb reichen.
Kauder forderte in einem Interview vom gestrigen Samstag (05.08.2017) den sofortigen Rücktritt Weils. Er warf der SPD vor, den Seitenwechsel Twestens zu "skandalisieren". "Das ist heuchlerisch und auch albern", sagte Kauder.
Die SPD sprach ihrerseits von einem "unmoralischen Manöver". Bundestags-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte der "Rheinischen Post" (Samstagsausgabe), er wolle wissen, "ob es weitergehende Zusagen der CDU Niedersachsen gegeben hat".
Am Samstag forderte Oppermann, die Landes-CDU müsse "den konkreten Verlauf der Gespräche und Absprachen öffentlich" machen. "Der ganze Vorgang verstößt gegen den politischen Anstand und ist ein beispielloser Verfall der politischen Moral", erklärte er.
Twesten sagte am gestrigen Samstag gegenüber Medienvertretern, auch als Abgeordnete, die über die Landesliste in den Landtag kam, gelte für sie das sogenannte freie Mandat. "Deshalb ist es falsch, von Verrat zu sprechen, wenn behauptet wird, das Mandat gehöre den Grünen." Ein schlechtes Gewissen habe sie nicht: "Die Partei hat mir das Vertrauen entzogen, wieso sollte ich von meiner Seite das Vertrauen aufrechterhalten." Den Schritt zum Wechsel fasste sie, nachdem sie in ihrem Wahlkreis Rotenburg (Wümme) nicht erneut nominiert worden war.
Weil sagte am Samstag dem Sender n-tv, es gebe einen Auftrag an Abgeordnete, "das zu tun, was Wählerinnen und Wähler von ihnen erwarten". Twesten sei über die Grünen-Landesliste gewählt worden, die Wähler hätten die Partei und nicht die Person gewählt. Der SPD-Ministerpräsident erneuerte auch seine Kritik an der CDU. Die rot-grüne Mehrheit sei durch einen "undurchsichtigen Vorgang" verloren gegangen.
Die CDU habe sich an Twestens Wechsel "erkennbar begeistert beteiligt", kritisierte Weil. Das sei "sehr, sehr bedenklich" und schädlich für die Demokratie. Zuvor hatte er von einer "Intrige" gesprochen.
Bei dem Gespräch Weils am Montag mit den Fraktionen gehe es um einen Austausch, sagte Regierungssprecherin Anke Pörksen auf Anfrage. Der Landtag soll am 16. August über seine Auflösung beraten, der Beschluss zur Auflösung könnte frühestens am 27. August fallen. Dann könnte die Landtagswahl zeitgleich mit der Bundestagswahl stattfinden.
CDU-Landeschef Bernd Althusmann sagte gegenüber Journalisten, sollte der 24. September als Termin machbar sein, "wäre das ein guter Zeitpunkt". Er forderte die niedersächsische SPD auf, den Landtag sofort aufzulösen, "sonst erzwingen wir dies". (P.Tomczyk--DTZ)