Venezuela: Showdown um erste Sitzung der Verfassungsversammlung
Die Krise in Venezuela hat sich am heutigen Freitag (04.08.2017) weiter zugespitzt. Das Oppositionslager rief zu Protesten gegen die erste Sitzung der verfassunggebenden Versammlung auf. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte, die am Sonntag abgehaltene Wahl der Vefassungsversammlung für ungültig zu erklären. Oppositionsführer Antonio Ledezma wurde nach drei Tagen aus dem Gefängnis entlassen und wieder unter Hausarrest gestellt.
Die Generalstaatsanwaltschaft reichte am Donnerstag beim Obersten Gericht einen Antrag ein, um die Konstituierung der Versammlung zu verhindern. Sie begründete den Antrag mit dem Verdacht auf Manipulationen bei der Wahl. Der Lieferant der Wahlmaschinen, die britische Firma Smartmatic hatte zuvor mitgeteilt, die Zahlen zur Wahlbeteiligung seien "ohne jeden Zweifel manipuliert".
Venezuelas linksnationalistischer Staatschef Nicolás Maduro hatte die Wahl zur verfassunggebenden Versammlung ungeachtet der Proteste im In- und Ausland abhalten lassen. Nach seinem Willen soll sie eine neue Verfassung ausarbeiten, um Venezuela aus der seit Monaten anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Krise zu führen. Die Opposition beschuldigt Maduro dagegen, er wolle das von ihr beherrschte Parlament umgehen und sich "diktatorische Vollmachten" erteilen lassen.
Die Einberufung der Verfassungsversammlung geriet zu einer Art Katz-und-Maus-Spiel von Regierung und Opposition. Eigentlich hätte die Versammlung am Donnerstag zusammentreten sollen; die Opposition rief für diesen Tag zu Massenprotesten auf.
Maduro verschob dann die Sitzung auf Freitag, damit sie "friedlich, ruhig und entsprechend dem nötigen Protokoll" stattfinden könne. Die Opposition zog nach und vertagte ihre Proteste ebenfalls auf Freitag. Es gehe darum, "die Verfassung zu verteidigen", erklärte sie in einem Protestaufruf. Dabei handelt es sich um die 1999 unter Maduros Vorgänger Hugo Chávez verabschiedete Verfassung, welche die Mitte-rechts-Opposition bislang heftig bekämpfte.
Geheimdienstbeamte brachten den oppositionellen Bürgermeister von Caracas, Ledezma, nach Angaben seiner Frau Mitzy Capriles am Freitagmorgen unerwartet nach Hause zurück. Ledezma war in der Nacht zu Dienstag (01.08.2017) ebenso wie der Vorsitzende der rechten Oppositionspartei Voluntad Popular (deutsch: Volkswille), Leopoldo López, festgenommen und inhaftiert worden. Der Oberste Gerichtshof hatte zur Begründung erklärt, bei den beiden Regierungsgegnern bestehe Fluchtgefahr. Ledezma und López hatten zum Boykott der Wahl zur Verfassungsversammlung und zu Protesten gegen sie aufgerufen. López blieb zunächst im Gefängnis.
Derweil rief der Vatikan die Führung in Caracas auf, die verfassunggebende Versammlung vorerst auszusetzen. Die Versammlung solle "vermieden oder suspendiert" werden. Zugleich äußerte sich der Heilige Stuhl "tief besorgt über die Radikalisierung und Verschlimmerung der Krise" in dem südamerikanischen Land. Die Sicherheitskräfte müssten von "exzessivem Gewaltgebrauch" absehen.
Zwei unbekannte Täter warfen am Donnerstag von Motorrädern aus mit Benzin gefüllte Flaschen auf die spanische Botschaft in Caracas. Nach Angaben von Augenzeugen zündete die Lunte wegen Regens nicht. Es gab keine Verletzte, auch Sachschaden entstand nicht.
Das von einer schweren Wirtschaftskrise getroffene Venezuela wird seit Anfang April durch politische Unruhen erschüttert. Die Opposition kämpft für die Absetzung Maduros. Im Verlauf der gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden mehr als 120 Menschen getötet. (S.A.Dudajev--DTZ)