Tusk wirft Parteichef Kaczynski politische Kampagne gegen ihn vor
EU-Ratspräsident Donald Tusk sieht sich als Opfer einer politischen Kampagne in seinem Heimatland Polen: Nach einer achtstündigen Anhörung vor einem Warschauer Gericht zum Unfalltod des ehemaligen Staatschefs Lech Kaczynski sprach Tusk am Donnerstag von einem "politischen Verfahren", mit dem Polens rechtsgerichtete Regierung ihre Gegner einschüchtern wolle. Der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, richtete neue Drohungen gegen Tusk.
Nach der Anhörung warf Tusk am Abend Parteichef Kaczynski eine Kampagne gegen ihn vor: "Was ich in Herrn Kaczynskis Augen erblicke, ist die Leidenschaft mich anzugreifen", sagte er.
Das Justizverfahren um den Tod des früheren Präsidenten Lech Kaczynski - Zwillingsbruder von Jaroslaw Kaczynski - bei einem Flugzeugabsturz in Russland sei "zweifellos" konstruiert, sagte Tusk. "Diese Tragödie sollte nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden, noch soll die Justiz als Waffe gegen die Opposition oder Rivalen eingesetzt werden."
Konkret werfen die Ermittler Tusk vor, Vorschriften zur Autopsie von Absturzopfern missachtet zu haben. Bei dem Absturz der Präsidentenmaschine kamen 2010 neben Kaczynski und seiner Ehefrau noch 94 weitere Menschen ums Leben. Unter den Opfern waren ranghohe Militärs und Politiker, die zum 70. Jahrestag des Massakers von Katyn bei Smolensk an einer Gedenkfeier teilnehmen wollten. In Katyn hatte die sowjetische Geheimpolizei im Zweiten Weltkrieg tausende polnische Offiziere erschossen.
Eine frühere Untersuchung polnischer und russischer Experten kam zu dem Schluss, die Hauptgründe für den Absturz seien ein Pilotenfehler und schlechtes Wetter gewesen. Jaroslaw Kaczynski vermutet aber eine Verschwörung.
Am Donnerstag sagte Kaczynski einem katholischen Fernsehsender, Tusk habe allen Grund, "Angst" zu haben - wegen des Absturzes und wegen "anderer Dinge". Vor zwei Wochen hatte der PiS-Vorsitzende der Opposition in einer Wutrede vorgeworfen, seinen Bruder "ermordet" zu haben. Er hält den Absturz nicht für einen Unfall und sieht bei Tusk die "moralische Verantwortung", da er zum damaligen Zeitpunkt Regierungschef war.
Tusk wies die Drohungen nach seiner Vernehmung zurück: "Ich habe nichts zu befürchten, und Herr Kaczynski jagt mir keine Angst ein".
Tusk, ehemaliger Vorsitzender der liberal-konservativen Bürgerplattform und von 2007 bis 2014 Minsiterpräsident ist ein politischer Gegner Kaczynskis. Er wurde im März gegen den Widerstand der polnischen Regierung als EU-Ratspräsident bestätigt. Die EU-Kommission hat gegen Warschau mehrere Verfahren eröffnet, unter anderem wegen umstrittener Maßnahmen im Justizwesen. Diese stellen nach Ansicht Brüssels die Unabhängigkeit der Gerichte in Frage.
(P.Tomczyk--DTZ)