Venezuelas Generalstaatsanwältin leitet nach Wahlbetrugsvorwürfen Ermittlungen ein
Nach der umstrittenen Wahl der verfassunggebenden Versammlung in Venezuela hat die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Wahlbetrug eingeleitet. Das gab die venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega am Mittwoch (Ortszeit) im Sender CNN bekannt, nachdem der britische Hersteller der Wahlmaschinen die Zahlen zur Wahlbeteiligung als "ohne jeden Zweifel manipuliert" bezeichnet hatte. Ortega ist eine wichtige Gegenspielerin von Staatschef Nicolás Maduro, der den Vorwurf der Wahlmanipulation zurückgewiesen hatte.
Ortega sagte CNN: "Ich habe zwei Staatsanwälte beauftragt, gegen die vier Direktoren des Nationalen Wahlrates wegen dieses sehr skandalösen Vorgangs zu ermitteln." Die Generalstaatsanwältin bezeichnete die Einschätzung des Wahlmaschinenherstellers als "ein weiteres Element dieses betrügerischen, illegalen und verfassungsfeindlichen Prozesses".
Maduro hatte die Vorwürfe der britischen Firma hingegen als eine "Reaktion des internationalen Feindes" bezeichnet. Ähnlich reagierte die regierungstreue Wahlbehörde: Die Anschuldigungen seien "unverantwortlich" und "unbegründet", erklärte Behördenchefin Tibisay Lucena am Mittwoch.
Der Hersteller der Wahlmaschinen in Venezuela, Smartmatic, hatte mitgeteilt, die Geräte seien für ihre "Robustheit" international bekannt. "Deshalb wissen wir ohne jeden Zweifel, dass die Beteiligung an der Wahl der verfassunggebenden Versammlung manipuliert wurde." Mindestens eine Million Wähler weniger hätten sich an der Wahl beteiligt als die Behörden angaben.
Laut der Wahlbehörde hatten sich acht Millionen Menschen an der Wahl beteiligt. Die Opposition hatte von nur 3,5 Millionen Wählern gesprochen. Die Wahlbeteiligung ist wichtig für die Legitimität der Abstimmung zur verfassunggebenden Versammlung, denn die konservative Opposition hatte zuvor ein Referendum gegen die Einberufung der Versammlung abgehalten, an dem nach ihren Angaben 7,6 Millionen Wähler teilgenommen hatten.
Nach dem Willen Maduros soll die Versammlung das ihm feindlich gesinnte Parlament ersetzen und eine neue Verfassung ausarbeiten, um Venezuela aus der seit Monaten anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Krise zu führen. Maduros Gegner werfen ihm hingegen vor, er wolle sich diktatorische Vollmachten sichern.
Noch hat das Gremium die Arbeit nicht aufgenommen - die konstituierende Sitzung wurde vom Präsidenten erneut verschoben. Der Termin ist nun für Freitag statt für Donnerstag angesetzt. Die Sitzung solle "friedlich, ruhig und entsprechend des nötigen Protokolls" stattfinden, kündigte Maduro am Mittwoch bei einer Zeremonie für die Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung an. Die Opposition will ihren Protestmarsch dennoch am Donnerstag abhalten.
Weltweit reißt die Kritik am Vorgehen des linksnationalistischen Staatschefs in Venezuela nicht ab. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte am Mittwoch erklärt, es gebe Zweifel an der Legitimität der Versammlung. Zugleich forderte sie, die Einsetzung der Versammlung müsse suspendiert werden. Die EU schließt eine Anerkennung des Gremiums aus, wie etwa ein dutzend lateinamerikanische Länder und die USA.
Die US-Regierung hatte am Montag Maduros Vermögen in den USA eingefroren. US-Präsident Donald Trump verwarnte Maduro scharf: "Die USA verurteilen die Taten der Maduro-Diktatur", erklärte das Weiße Haus nach der Verhaftung zweier Oppositionsführer.
Seit Anfang April wird das von einer schweren Wirtschaftskrise getroffene Venezuela durch Unruhen erschüttert. Die konservative Opposition kämpft für die Absetzung Maduros. Im Verlauf der gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden bereits mehr als 125 Menschen getötet.
(S.A.Dudajev--DTZ)