Deutsche Schleuser oder Helfer? Italien setzt Schiff im Hafen fest
Im Streit um den Verhaltenskodex zur Flüchtlingsrettung im Mittelmeer hat Italien erstmals Konsequenzen gezogen: Vor der Insel Lampedusa setzten die Behörden das Schiff der deutschen Hilfsorganisation Jugend Rettet fest, die den Kodex nicht unterzeichnet hat. Das Parlament in Rom billigte derweil den Marineeinsatz zur Abwehr von Flüchtlingen vor der libyschen Küste. Kurz darauf wurde ein Marineboot in libysche Hoheitsgewässer entsandt.
Die deutschen Helfer werden der "Beihilfe zur illegalen Migration" beschuldigt. Ihr Schiff "Iuventa" wurde nach Polizeiangaben vor der zwischen Libyen und Italien gelegenen Insel Lampedusa "vorsorglich" aus dem Verkehr gezogen. Die entsprechende Anordnung erließ die Staatsanwaltschaft im sizilianischen Trapani.
Laut Staatsanwalt Ambrogio Cartosio werden die deutschen Helfer aufgrund von seit 2016 geführten Ermittlungen verdächtigt, mindestens zwei Mal von Schleppern eskortierte Flüchtlinge an Bord genommen zu haben, deren Leben nicht in Gefahr gewesen sei. Allerdings sei die Annahme von einem "koordinierten Plan" zwischen der "Iuventa" und Schleppern "reine Science-Fiction".
Jugend rettet und andere Nichtregierungsorganisationen lehnen den von Italien verlangten neuen Verhaltenskodex ab, mit dem Italien die Zahl der ankommenden Flüchtlinge verringern will. Roms Regeln sehen vor, dass bewaffnete Polizisten an Bord von Rettungsschiffen mitgenommen werden. Außerdem dürfen demnach auf hoher See in Sicherheit gebrachte Flüchtlinge nicht von einem Schiff auf ein anderes transferiert werden.
Jugend rettet unterzeichnete den am Montag vorgelegten Regelkatalog nicht und begründete dies unter anderem damit, dass darin das Retten von Menschen nicht an erster Stelle stehe. Der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland, Florian Westphal, sagte zur Nichtunterzeichnung seiner Organisation: "Die Präsenz von bewaffneten Personen in einem unserer Projekte gefährdet unsere Neutralität und unsere Arbeit. Sie kann uns selbst zum Ziel eines Angriffs werden lassen."
Nach dem italienischen Unterhaus billigte am Mittwoch auch der Senat den Marineeinsatz in libyschen Hoheitsgewässern. Das Patrouillenboot "Comandante Borsini" der italienischen Marine traf am Nachmittag auf dem Weg nach Tripolis in libyschen Hoheitsgewässern ein. Nach den Plänen der Verteidigungsministerin Roberta Pinotti von der regierenden Demokratischen Partei soll ein Logistikschiff folgen. Bei einem Angriff auf die Soldaten könnten diese "in begrenztem Umfang" Gewalt einsetzen.
Nach den Worten Pinottis ist jedoch keine "Seeblockade" geplant. Italien komme lediglich einem Gesuch der libyschen Regierung zur "Unterstützung und Hilfe für die libysche Küstenwache" nach.
Besorgt äußerte sich Human Rights Watch. Der italienische Einsatz könne dazu führen, dass Flüchtlinge willkürlich festgehalten und ihre Rechte missachtet würden, erklärte die Organisation. In Libyen drohten den Menschen "Folter, sexuelle Gewalt und Zwangsarbeit".
In diesem Jahr kamen mehr als 93.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien, viele von ihren reine Wirtschaftsflüchtlinge welche sich einen besseren sozialen Stand in Europa erhoffen, getragen und finanziert von den Steuerzahlern der EU-Staaten. Zuletzt gingen die Zahlen nur leicht zurück: Nach Angaben des Innenministeriums in Rom wurden allein im Juli 2017 immerhin 11.200 Neuankömmlinge registriert. Mindestens 2385 Menschen kamen seit Januar nach Angaben der Vereinten Nationen beim Versuch der Überfahrt ums Leben. (P.Tomczyk--DTZ)