Deutsche Tageszeitung - Venezolaner wählen in der Krise verfassunggebende Versammlung

Venezolaner wählen in der Krise verfassunggebende Versammlung


Venezolaner wählen in der Krise verfassunggebende Versammlung
Venezolaner wählen in der Krise verfassunggebende Versammlung / Foto: ©

Inmitten der schweren innenpolitischen Krise wird in Venezuela am heutigen Sonntag (30.07.2017) eine verfassunggebende Versammlung gewählt. Die 545 Mitglieder des Gremiums sollen die Verfassung aus dem Jahr 1999 novellieren. Die Opposition warb für den Boykott der Abstimmung und rief ihre Anhänger trotz eines Demonstrationsverbots der Regierung zu Protestaktionen auf. Sie wirft Maduro vor, er wolle die verfassunggebende Versammlung mit eigenen Anhängern besetzen, um sich "diktatorische Vollmachten" zu sichern.

Textgröße ändern:

Der umstrittene Staatschef hingegen erklärte, die neue Verfassung solle dazu beitragen, die schwere Krise in dem Land beizulegen. Die Versammlung hätte die Macht, das Parlament aufzulösen und Gesetze zu ändern. Die rechtsgerichtete Opposition kämpft seit Monaten für eine Amtsenthebung des sozialistischen Staatschefs. Seit Beginn der Protestwelle Anfang April wurden bereits 113 Menschen getötet.

Nach Angaben von Behördenvertretern waren die Vorbereitungen für die Abstimmung abgeschlossen. Am Sonntag werde es eine "laute Botschaft geben, dass unser Volk Demokratie, Frieden und Dialog will", sagte Héctor Rodríguez, ein pro-Maduro-Wahlkämpfer bei einer Pressekonferenz am Samstag. 99 Prozent der Wahllokale seien eingerichtet.

Das Oppositionsbündnis Tisch der demokratischen Einheit (MUD) kündigte am Samstag neue Straßenblockaden zur Wahl der verfassunggebenden Versammlung an. Auch nach dem Wochenende müsse der Druck auf Maduro aufrechterhalten werden, sagte Oppositionsführer Henrique Capriles.

Die Proteste müssten in der kommenden Woche fortgeführt werden, sagte Capriles. Ziel sei ein "Regierungswechsel". Er rief die Venezolaner auf, am Sonntag alle wichtigen Verkehrsadern des Landes zu blockieren. Am Samstag kamen jedoch weniger Maduro-Gegner zu den Protesten als bisher.

Die Lage in dem südamerikanischen Land ist derzeit höchst angespannt. Die Opposition hatte angesichts der für Sonntag angesetzten Wahl zu landesweiten Protestmärschen aufgerufen - trotz eines von der Regierung verhängten Demonstrationsverbotes. Am Donnerstag hatte die Regierung mit Haftstrafen von bis zu zehn Jahren für all diejenigen gedroht, die die Wahl durch Proteste stören wollten.

Am Freitag (28.07.2017) versammelten sich weniger Demonstranten auf den Straßen als in den Tagen zuvor. In der Hauptstadt Caracas errichteten Regierungsgegner vereinzelt Straßensperren, auch in San Cristóbal, Maracaibo und der Stadt Guayana gab es Proteste. In San Cristóbal wurde ein 18-jähriger Demonstrant erschossen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist er der 113. Tote seit Beginn der Massendemonstrationen im April.

Maduros Gegner sehen hinter der Wahl zur verfassunggebenden Versammlung ein Manöver, um die für Ende 2018 vorgesehene Präsidentschaftswahl hinauszuschieben. Internationale Beobachter sind für die Wahl der verfassunggebenden Versammlung am Sonntag nicht vorgesehen.

Die Opposition macht den sozialistischen Staatschef Maduro für die Wirtschaftskrise im ölreichen Venezuela verantwortlich, die zu einer Versorgungskrise in dem Land geführt hat. Aus Angst vor einer weiteren Eskalation der Gewalt deckten sich viele Venezolaner vor dem Wochenende mit Lebensmitteln ein. Tausende flohen ins Nachbarland Kolumbien.

Derweil wächst der internationale Druck auf die Regierung in Caracas. Die USA verhängten in dieser Woche Sanktionen gegen amtierende und ehemalige venezolanische Regierungsvertreter und ordneten die Ausreise der Angehörigen ihres Botschaftspersonals aus dem Land an. Auch die EU kritisiert das Vorgehen der Regierung in Caracas. Die kolumbianische Regierung erklärte am Freitag, sie werde das Ergebnis der Wahl am Sonntag nicht anerkennen. Mehrere internationale Fluglinien, darunter Iberia und Air France, stellten ihre Flüge nach Venezuela vorerst ein.

Zwar zeigten sich in den vergangenen Wochen erste Risse innerhalb des Regierungslagers. Unter anderem wandte sich Generalstaatsanwältin Luisa Ortega von Maduro ab. Doch der Präsident kann sich bislang auf die bedingungslose Unterstützung der mächtigen Armee verlassen.  (U.Stolizkaya--DTZ)

Empfohlen

Pistorius kündigt weiteres Waffenpaket für die Ukraine an

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat ein weiteres Paket an Waffenlieferungen für die Ukraine angekündigt. Deutschland werde noch in diesem Jahr unter anderem vier weitere Luftverteidigungssysteme vom Typ Iris-T an Kiew liefern, sagte Pistorius am Freitag am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der Ukraine-Kontaktgruppe in Brüssel. Das Paket umfasst nach Angaben aus dem Ministerium zudem 15 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1, Aufklärungsdrohnen und zusätzlichen 100.000 Schuss Artilleriemunition.

Haseloff fordert Berücksichtigung des Ostens bei Kabinettsbildung

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat bei der Besetzung der künftigen Bundesregierung eine angemessene Berücksichtigung ostdeutscher Politiker gefordert. "Auf jeden Fall muss der Bevölkerungsanteil sich auch im Kabinett widerspiegeln, ansonsten haben wir die gleiche Diskussion der Benachteiligung des Ostens weiterhin", sagte Haseloff am Freitag im ARD-"Morgenmagazin".

"Politbarometer": Deutsche zweifeln an Politikwechsel unter Merz-Regierung

Nach der Einigung auf den Koalitionsvertrag zweifeln viele Deutsche daran, dass eine schwarz-rote Regierung echte Veränderungen bringen wird. Im am Freitag veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" gaben 51 der Befragten an, dass die Koalition aus Union und SPD keinen wichtigen Beitrag zur Lösung der Probleme in Deutschland leisten wird. 46 Prozent gingen dagegen davon aus, dass dies gelingt.

Von US-Präsident Biden nominierte US-Botschafterin in der Ukraine tritt zurück

Die von US-Präsident Joe Biden nominierte US-Botschafterin in der Ukraine ist zurückgetreten. Briget Brink werde ihren Posten in Kiew nach fast drei Jahren verlassen, erklärte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, am Donnerstag. "Wir arbeiten daran, dass dieser Krieg aufhört und das ist unser Fokus", sagte Bruce vor Journalisten.

Textgröße ändern: