Libyen: Französische Präsidentschaft rudert bei Hotspots zurück
Nach dem Vorstoß von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron für sogenannte Hotspots für Flüchtlinge in Libyen ist die französische Präsidentschaft zurückgerudert. Die Einrichtung solcher Hotspots sei in Libyen aus Sicherheitsgründen derzeit nicht möglich, teilte der Elysée-Palast am Donnerstagabend mit. Stattdessen soll zunächst die Machbarkeit solcher Registrierungsstellen in einem Grenzgebiet von Libyen, Niger und dem Tschad geprüft werden.
Macron hatte am gestrigen Donnerstag (27.07.2017) zunächst verkündet, noch in diesem Sommer Registrierungsstellen für Flüchtlinge in Libyen eröffnen zu wollen - zusammen mit der EU oder im Alleingang. Damit sollten Menschen ohne Chancen auf Asyl von der gefährlichen Überquerung des Mittelmeers abgehalten werden, sagte Macron beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft in Orléans. Frankreich wolle deswegen Mitarbeiter der französischen Flüchtlingsbehörde Ofpra nach Libyen entsenden.
Der Elysée-Palast teilte am Abend mit, es sei eine Zone identifiziert worden, die "im Süden Libyens, im Nordosten Nigers und im Norden des Tschad" liege, um derartige Registrierungsstellen einzurichten. In Libyen selbst sei dies "momentan nicht möglich, könnte aber kurzfristig der Fall sein". Von Ende August an werde es eine Ofpra-Mission geben, "um zu sehen, wie das umgesetzt werden kann".
Das französische Präsidialamt hatte bereits kurz nach Macrons Vorschlag darauf hingewiesen, dass für die Errichtung solcher Hotspots zunächst die Sicherheitslage ausreichend gut sein müsse. Das sei in Libyen derzeit nicht der Fall. Prinzipiell gehe es um eine "Vorbehandlung" von Asylanträgen.
Die EU hat wegen der Flüchtlingskrise Hotspots in den europäischen Hauptankunftsländern Italien und Griechenland eingerichtet. Migranten werden dort mit Unterstützung von Experten der EU-Grenzbehörde Frontex und der europäischen Asylagentur Easo registriert.
Die EU-Kommission zeigte sich überrascht über Macrons Vorstoß. Eine Sprecherin sagte, die Behörde könne dazu noch nicht Stellung nehmen, sei aber bereit, "über alles zu diskutieren".
Ein Sprecher der Bundesregierung sagte, Deutschland bemühe sich gemeinsam mit der EU und ihren Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreich und Italien, darum, die illegale Migration über die zentrale Mittelmeerroute einzudämmen. Diesem Ziel dient auch Macrons Vorschlag. Die Bundesregierung werde den Vorschlag prüfen.
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte bei einem Besuch im italienischen Catania erneut ein "faires Verteilungssystem in Europa", weil Länder an den EU-Außengrenzen wie Italien der Flüchtlingszahlen allein nicht Herr würden. Er wolle einen "Solidarpakt in Europa", der die "Finanzierung der Europäischen Union verbindet mit einer fairen Verteilung der Migranten".
Kritik kam von der Linken in Deutschland und von Menschenrechtsorganisationen. "Alleingänge sind nicht zielführend", sagte Spitzenkandidat Dietmar Bartsch. In erster Linie müssten die Ursachen von Flucht und Vertreibung angegangen werden. Die Menschenrechtsorganisationen Pro Asyl und Human Rights Watch (HRW) kritisierten, die Lage in Libyen sei viel zu instabil. Dagegen lobte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz die Ankündigung Macrons.
Die bisherige EU-Strategie zielt darauf ab, die Bedingungen in libyschen Flüchtlingslagern zu verbessern. Dazu unterstützt die EU das UN-Flüchtlingswerk UNHCR und die Internationale Organisation für Migration.
Die italienische Regierung plant, im Kampf gegen Schlepper Schiffe in libysche Gewässer zu schicken. Der Plan solle am Dienstag ins Parlament, sagte Regierungschef Paolo Gentiloni. Italien reagiere damit auf ein Hilfeersuchen aus Tripolis.
Seitens der EU-Mitgliedstaaten wurden immer wieder auch Auffanglager in Nordafrika diskutiert, etwa in Tunesien. Libyen ist das Haupttransitland für Flüchtlinge, die versuchen, über das zentrale Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Das Land wird weitgehend von rivalisierenden bewaffneten Milizen kontrolliert. In diesem Jahr kamen auf der Mittelmeer-Route bereits mehr als 93.000 Menschen in Italien an. Mehr als 2500 sind bei dem Versuch seit Januar bereits gestorben. (V.Korablyov--DTZ)