Verfassungsschützer warnen eindringlich vor "Tiktokisierung des Islamismus"
Der Verfassungschutz in Mecklenburg-Vorpommern hat vor einer "Tiktokisierung des Islamismus" durch eine neue Generation jüngerer salafistischer Prediger gewarnt. Seit 2021 hätten sich radikale Influencer wie Ibrahim El Azzazi oder Abul Baraa zu Stars der islamistischen Szene entwickelt, die mit Kurzvideos auf der Plattform Tiktok längst "ein jugendliches Millionenpublikum im deutschsprachigen Raum" erreichten, hieß es in einer am Sonntag vom Landesinnenministerium in Schwerin veröffentlichte Analyse der Behörde.
Zwar sei die Nutzung von sozialen Netzwerken durch Islamisten kein neues Phänomen, betonte die Behörde. Jedoch habe die App Tiktok aufgrund ihres "Suchtpotenzials" durch algorithmengesteuerte immer neue Videovorschläge "zu einer enormen Dynamisierung" geführt und sei ein "Brandbeschleuniger" für Radikalisierung. Auch Rechts- und Linkextreme setzten auf die bei Jugendlichen beliebte Plattform, im Islamismus sei der Trend aber am massivsten. Bei dessen Inszenierung spiele Tiktok eine "zentrale Rolle".
Als Beispiel aus der jüngere Vergangenheit verwies der Verfassungsschutz auf eine nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober von Islamisten inszenierte Gebetsaktion vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Aufnahmen dieser trotz eines behördlichen Verbots abgehaltenen Versammlungen seien eigens für die sozialen Medien inszeniert worden und in der islamistischen Szene wie auch unter Islamfeinden "viral" gegangen.
Baraa und andere Prediger inszenierten sich in ihren Videos dabei betont jugendgerecht und setzten etwa auf demonstrativ zur Schau gestellte Nähe zu "Influencern, Rappern oder arabischen Clan-Größen". Ihr strategisch ausgefeilter Content wirke zwar für Außenstehende "auf den ersten Blick unverfänglich", fördere aber "bei Jugendlichen eine Entfremdung von der Mehrheitsgesellschaft sowie den Werten des demokratischen Rechtsstaats".
Erschwerend komme hinzu, dass Eltern oder Lehrkräfte mit Tiktok selbst oft nicht vertraut seien und diese nicht nutzten. Islamisten hätten ihre Botschaften dadurch zuletzt weitgehend unbemerkt an ein immer jüngeres Publikum vermitteln können, hieß es in der vom Verfassungsschutz vorab veröffentlichten Mitteilung zum Landesverfassungschutzbericht für 2023.
Baraa etwa habe sich mit seinen Tiktokvideos, die zusätzlich über weitere Plattformen wie Instagram und Youtube verbreitet würden, längst "zu einer Autorität in Islamfragen" im deutschsprachigen Raum entwickelt. Er selbst sei in einer Moschee im niedersächsischen Braunschweig aktiv, trete aber auch zusätzlich bundesweit als Gastprediger auf. In seinen Predigten fänden sich auch "teils antisemitische Stereotype", warnte die Behörde.
(W.Budayev--DTZ)