Unbekanntes Gemälde Fernand Légers auf Rückseite von Leinwand entdeckt
Kunstexperten in den Niederlanden haben ein bedeutendes Werk des französischen Malers Fernand Léger (1881-1955) entdeckt, das sich mehr als hundert Jahre auf der Rückseite eines anderen Léger-Gemäldes verbarg. Das bislang unbekannte Werk mit dem Titel "Rauch über den Dächern" stamme mutmaßlich von 1911 oder 1912 und befinde sich auf der Rückseite des Gemäldes "14. Juli", das ein Jahr später entstanden sei, teilten Konservatoren des Studio Redivivus am Donnerstag in Den Haag mit.
Das Bild wies bei seiner Entdeckung leichte Schäden auf und war mit einer klebstoffähnlichen Schicht bedeckt. Den Experten zufolge offenbart es einen "Wendepunkt" im Werk des kubistischen Malers Léger, der zur gleichen Zeit in Paris lebte wie Picasso.
"Das ist wirklich eine Entdeckung", sagte Gwendolyn Boeve-Jones, Chefin des Studio Redivisus, der Nachrichtenagentur AFP. Die Experten gehen davon aus, dass das Gemälde Teil einer Serie ist, in der Léger den Blick aus seinem Atelier über die Dächer von Paris bis zur Kathedrale Notre-Dame festhielt und sein Augenmerk vor allem auf den aus den Schornsteinen aufsteigenden Rauch richtete.
Nach Angaben des niederländischen Kunsthistorikers Sjraar van Heugten waren noch sieben Gemälde aus dieser Serie erhalten. Das neue Gemälde zeige "äußerst wichtige" Fortschritte Légers beim Einsatz von Farbe und Abstraktion.
Die Geschichte des Bildes begann vor rund 110 Jahren, als der Künstler das Gemälde "14. Juli" seinem Freund Marc Duchêne 1912 oder 1913 zur Hochzeit schenkte. Duchêne starb im Ersten Weltkrieg, das Gemälde blieb im Besitz seiner Familie, wurde aber wegen der damit verbundenen "traurigen Erinnerungen" nie ausgestellt und blieb laut Van Heugten "jahrelang unbekannt". Schließlich wurde es 1999 an die private Kunststiftung Triton Collection verkauft, in deren Besitz es immer noch ist.
Die Stiftung entdeckte Spuren einer Restaurierung, die mutmaßlich in den 1990er Jahren vorgenommen wurde. Unklar blieb, von wem. Das Geheimnis um die Rückseite des "14. Juli" blieb weiter bestehen, obwohl das Gemälde in mehreren Galerien ausgestellt wurde.
Die Rückseite "war zum Großteil mit einem grau-weißen Material bedeckt und die Sammler wurden darüber informiert, dass dies kein Anlass zur Sorge sei, dass es nicht wichtig sei", erzählte Boeve-Jones. Doch ihr selbst ließ das Bild keine Ruhe. 2016 gaben die Eigentümer bei ihr eine Untersuchung in Auftrag.
Boeve-Jones, die aus den USA in die Niederlande auswanderte, um am Rijksmuseum in Amsterdam zu arbeiten, bevor sie ihr eigenes Studio eröffnete, begann mit ihrer Detektivarbeit. Sie studierte Kunstpublikationen und durchstöberte das Internet. Gleichzeitig entdeckten Experten unter der dicken Schicht Formen und Farben.
"Es war nicht schwer zu erkennen, dass es gewissermaßen zur Serie 'Rauch über den Dächern' gehörte", sagte Boeve-Jones. Nicht nur die Entdeckung des Gemäldes an sich sei sehr interessant, sondern auch die Rolle, die es in Légers Karriere mutmaßlich einnehme. Es markiere den Übergang zwischen den frühen, dunkleren Arbeiten hin zu einem abstrakteren und bunteren Stil, der mit der Serie begann.
Aufgrund der Herkunft des Bildes, der Linienführung und des Leinwandrahmens sind sich die Experten sicher, dass es sich um einen echten Léger handelt. Sjraar van Heugten, einst verantwortlich für die Sammlungen des Van Gogh-Museums in Amsterdam, äußerte sich "sehr überrascht von der Qualität" des Gemäldes.
Es wird vom 19. November bis zum 2. April im Kröller-Müller Museum in den Niederlanden ausgestellt und soll in einer Vitrine präsentiert werden, die beide Seiten der Leinwand zeigt.
(P.Hansen--DTZ)