Gericht: Hohe Hürden für Freispruch von Vorwurf der Impfpassfälschung in Coronakrise
Für einen Freispruch vom Vorwurf der Impfpassfälschung unter Verweis auf eine vermeintlich unklare Rechtslage in der Coronakrise gelten einem Urteil des Oberlandesgerichts im niedersächsischen Braunschweig (OLG) zufolge hohe Hürden. Pauschale Einlassungen eines Beschuldigten, er habe sich vor der Vorlage eines gefälschten Impfpasses auf eine eigene Internetrecherche verlassen, seien für die gerichtliche Feststellung eines sogenannten unvermeidbaren Verbotsirrtums jedenfalls unzureichend, erklärte das Gericht am Mittwoch. (Az.1 ORs 49/23)
Es kassierte mit der Entscheidung vom 7. März ein erstinstanzliches Urteil des Amtsgericht in Braunschweig und gab der Staatsanwaltschaft in einer sogenannten Sprungrevision statt. Nun muss das Amtsgericht über den Fall, bei dem es um die Vorlage eines Impfpasses mit gefälschten Einträgen über angebliche Coronaimpfungen in einer Apotheke im Oktober 2021 ging, neu verhandeln.
Das Amtsgericht hatte dem Angeklagten zu Gute gehalten, dass er aufgrund der damaligen kontroversen Debatten zur Strafbarkeit der Vorlage gefälschter Impfnachweise ohne eigenes Verschulden überzeugt war, nichts Illegales zu tun. Juristen sprechen dann von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum, der eine Bestrafung ausschließt. Das Gericht sprach den Angeklagten daraufhin frei.
Während der Coronakrise war zeitweise auch unter Juristen umstritten, ob das Vorzeigen von gefälschten Impfnachweisen bei nichtamtlichen Stellen wie Apotheken eine Urkundenfälschung darstellt oder eine Strafbarkeitslücke besteht. Selbst Oberlandesgerichte kamen zu unterschiedlichen Schlüssen.
Der Gesetzgeber passte das Strafgesetzbuch daraufhin Ende November 2021 an, um Rechtsunsicherheiten auszuschließen. Der Bundesgerichtshof stellte später höchstrichterlich fest, dass die Vorlage falscher Impfnachweise auch nach altem Recht strafbar war - also zu keinem Zeitpunkt eine Strafbarkeitslücke bestand. Fraglich blieb aber, ob Menschen aufgrund der zwischenzeitlichen Diskussionen zuvor eventuell einem Verbotsirrtum aufgesessen sein könnten.
Das Braunschweiger Amtsgericht bejahte die Frage im vorliegenden Fall, ging dabei nach Überzeugung des OLG allerdings zu pauschal vor. Die Aussage des Beschuldigten, er habe sich auf Ergebnisse eigener Internetrecherchen verlassen, reiche keinesfalls aus. Es müsse genauer geklärt werden, welche Gerichtsurteile oder sonstigen Quellen der Angeklagte heranzogen habe.
Darüber hinaus wäre es dem Beschuldigten seinerzeit "zuzumuten" gewesen, die höchstrichterliche Klärung der Rechtslage vor der von ihm geplanten Handlung abzuwarten, betonte das Oberlandesgericht. Die Beweisführung des Amtsgericht sei insgesamt "lückenhaft". Es müsse deshalb neu über den Fall entscheiden.
(B.Izyumov--DTZ)