Frankreichs Kabinett berät über umstrittenes Sterbehilfe-Gesetz
Der von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angekündigte Gesetzentwurf zur Sterbehilfe wird am Mittwochnachmittag im Kabinett beraten. Aktive Sterbehilfe soll demnach unter strengen Auflagen erlaubt werden. Die Ausdrücke "Sterbehilfe" und "assistierter Suizid" kommen in dem Text nicht vor. Pflegeverbände und die französische Bischofskonferenz kritisieren das Vorhaben scharf, das Macrons bedeutendste gesellschaftliche Reform seiner zweiten Amtszeit werden könnte.
Der Text soll Ende Mai in der Nationalversammlung debattiert werden. Mit einer Verabschiedung wird nicht vor 2025 gerechnet. Unheilbar kranke Erwachsene, deren Leid im Endstadium der Krankheit nicht mehr gelindert werden kann, sollen künftig "um Hilfe beim Sterben bitten können", so formulierte Macron es, als er im März die groben Linien des Gesetzes vorstellte.
Eine weitere Voraussetzung soll demnach die volle Urteilsfähigkeit des Betroffenen sein: Minderjährige und Patienten mit psychischen Erkrankungen oder etwa Alzheimer sollen keine Sterbehilfe in Anspruch nehmen können.
Ein Arzt soll nach Beratung mit weiteren Experten entscheiden, ob alle Auflagen erfüllt sind. In diesem Fall kann er dem Sterbewilligen ein zum Tod führendes Medikament verordnen. Dies kann der Patient in Anwesenheit eines Arztes selber einnehmen. Falls er körperlich dazu nicht in der Lage ist, kann ihm eine Arzt oder eine ihm nahestehende Person dabei helfen.
Die Bischofskonferenz, die das Vorhaben bereits scharf kritisiert hatte, ernannte vier Bischöfe, die die Position der katholischen Kirche zum dem Thema in der öffentlichen Debatte vertreten sollen. "Manche ältere Menschen haben solche Angst, anderen zur Last zu fallen, dass sie sich am Ende sagen könnten: Das ist vielleicht die Lösung", sagte Bischof Emmanuel Gobilliard.
Auch Pflegeverbände äußerten sich kritisch. Die Vorstellungen des Präsidenten seien "weit von den Bedürfnissen der Patienten und dem Alltag des Pflegepersonals entfernt", betonten mehrere Pflegeverbände. Sie fordern die Verbesserung der Palliativmedizin, die unheilbar Kranke in der Endphase begleitet und versucht, ihre Schmerzen zu lindern.
In Frankreich haben viele Patienten keinen Zugang zu Palliativmedizin. Nach Angaben des Verbands für Palliativpflege sterben täglich in Frankreich 500 Menschen, die keinen Zugang zu Palliativmedizin haben, obwohl sie dies bräuchten. Das neue Gesetz sieht vor, das jährliche Budget für Palliativmedizin innerhalb von zehn Jahren von derzeit 1,6 Milliarden Euro auf 2,7 Milliarden Euro zu erhöhen.
Macron sprach von einem "Gesetz der Brüderlichkeit". "Es ermöglicht die Wahl des geringeren Übels, wenn der Tod schon da ist", fügte er hinzu.
In Frankreich ist aktive Sterbehilfe bisher verboten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden die gesetzlichen Regelungen mehrfach überarbeitet. Seit 2002 haben Patienten das Recht, eine Behandlung abzulehnen. 2005 wurde festgelegt, dass Ärzte einen unheilbar kranken Patienten sterben lassen dürfen, indem sie auf Wunsch des Kranken eine lebensverlängernde Behandlung einstellen.
Dieses Gesetz wurde 2016 zuletzt ergänzt. Seitdem dürfen Ärzte unheilbar Kranken im Endstadium stark schmerzlindernde Medikamente verabreichen, welche das Sterben beschleunigen können. Ein Gesetzesvorschlag, der aktive Sterbehilfe ermöglichen sollte, wurde zuletzt 2021 abgelehnt.
(L.Svenson--DTZ)