Lauterbach will sich bei Cannabis-Freigabe über Widerstand in SPD hinwegsetzen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will sich bei der geplanten Freigabe von Cannabis über die Bedenken in den Reihen seiner SPD hinwegsetzen. Er wolle das Gesetz noch in dieser Woche im Bundestag "durchbringen" und rechne mit einer parlamentarischen Mehrheit für die Vorlage, sagte Lauterbach am Dienstag im Deutschlandfunk. Der Minister räumte zugleich ein, dass mit der Legalisierung Gefahren verbunden seien - etwa das Risiko des Fortbestands eines schwer kontrollierbaren Schwarzmarkts.
In Teilen der Bundestagsfraktion der SPD, aber auch bei SPD-Landespolitikern, gibt es massive Kritik an Lauterbachs Vorlage: Die beiden führenden Innenpolitiker der Fraktion, Sebastian Fiedler und Sebastian Hartmann, wandten sich in einem Brief an ihre Fraktionskollegen und rieten von der Zustimmung ab.
"Lasst uns den Prozess noch einmal ordentlich starten", zitierte der "Tagesspiegel" am Dienstag aus dem Schreiben. Fiedler und Hartmann schlugen demnach einen Testlauf die die Cannabis-Freigabe in Modellregionen vor. Sie warnten, dass Lauterbachs Vorlage die angestrebten Ziele verfehlen werde - etwa den Kampf gegen organisierte Kriminalität, die Entlastung von Polizei und Justiz sowie einen besseren Jugendschutz.
Lauterbach erwiderte in dem Radio-Interview, in dem Brief sei "kein einziges neues Argument" enthalten. "Wenn wir uns jetzt öffentlich Briefe schreiben - das ist nicht schön, aber auch damit leben wir", fügte er hinzu. Der Minister sagte voraus: "Das Gesetz wird durch den Bundestag gehen."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisierte den Brief der Abgeordneten als "nicht sehr hilfreich". Vor der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion bot Mützenich all jenen Abgeordneten Gespräche an, die sich mit der Zustimmung zu der Vorlage "schwertun".
Minister Lauterbach selbst wies auf eine mögliche Schwachstelle des Gesetzes hin, die auch von Kritikern moniert wird: "Es gibt die Gefahr, dass der Schwarzmarkt dann bleibt, und wenn der Schwarzmarkt bliebe, dann wäre er möglicherweise in Teilen schlechter kontrollierbar", sagte Lauterbach. Er hoffe, durch die Cannabis-Freigabe immerhin "zwei Drittel des Schwarzmarkts beenden zu können".
Die Schwächung des Schwarzmarkts ist ein zentrales Anliegen der Neuregelung: Lauterbach und andere Befürworter der Freigabe verwiesen darauf, dass Cannabis vom Schwarzmarkt oft mit gefährlichen Beimengungen verkauft werde, sehr hoch konzentriert sei und die Käufer - viele von ihnen sind junge Menschen - einem kriminellen Umfeld aussetze.
Lauterbachs Entwurf soll den Selbstanbau von Cannabis entkriminalisieren sowie die Einrichtung nicht-kommerzieller Cannabis-Clubs erlauben, welche die Droge für Mitglieder anbauen und abgeben. Die zunächst erwogene Einrichtung eines staatlich kontrollierten Cannabis-Markts ist aus EU-rechtlichen Gründen nicht möglich.
Kritiker bezweifeln, dass die Erlaubnis zum Selbstanbau und die Cannabis-Clubs den illegalen Verkauf auf dem Schwarzmarkt unterbinden kann. Lauterbach hingegen argumentierte, das Gesetz werde "eine qualitativ hochwertige Alternative zum Schwarzmarkt" schaffen. "Wer will sich denn mit einem Drogendealer in zwielichtigem Umfeld auseinandersetzen?", sagte er.
Widerstand gegen die Regelung kommt nicht nur aus dem Bundestag und von den Landesregierungen. Auch Polizeigewerkschaften und Ärzteverbände warnen vor unerwünschten Folgen.
Der Deutsche Richterbund (DRB) bekräftigte am Dienstag seine Bedenken. Mit Lauterbachs Gesetz komme "eine gewaltige Mehrbelastung auf die ohnehin schon überlastete Strafjustiz zu", erklärte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Die Vorlage der Ampel-Fraktionen sehe "einen rückwirkenden Straferlass" für Cannabis-Vergehen vor, erklärte Rebehn. Dies erfordere "eine händische Überprüfung aller einschlägigen Fälle." Dabei gehe es um zehntausende Akten bundesweit.
Die geplante Legalisierung von Cannabis in Deutschland soll am 1. April in Kraft treten. Die Neuregelung sieht vor, den Bezug von Cannabis in begrenztem Umfang - maximal 25 Gramm pro Tag - über nicht kommerzielle Vereine zu ermöglichen. Für Jugendliche unter 18 Jahren wird der Besitz und Konsum von Cannabis weiterhin verboten bleiben. Im Eigenanbau sollen bis zu drei Pflanzen erlaubt sein.
(P.Tomczyk--DTZ)