Kassenärzte für deutliche Reduzierung von stationären Operationen in Kliniken
Die Kassenärzte haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aufgefordert, die Zahl stationärer Klinik-Operationen deutlich zu reduzieren. Von den rund 16 Millionen stationären Operationen im Jahr könnten nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom Montag drei bis vier Millionen ambulant vorgenommen werden, also auch von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) wies den Vorstoß als "unrealistisch" zurück.
Durch mehr ambulante Operationen gebe es ein Einsparpotenzial von mehreren Milliarden Euro im Jahr, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der "Bild" vom Montag. Nötig sei eine "Kehrtwende bei den OP". Es gebe "unverändert viel zu viele stationäre Behandlungen in Deutschland".
Gassen sieht nun den Gesundheitsminister am Zug: Lauterbach müsse endlich definieren, welche Operationen "auch in Zukunft im Normalfall für eine einheitliche Vergütung ambulant durchgeführt werden sollen", sagte er. Als Beispiele nannte Gassen Leisten- und Gelenkoperationen, die künftig von niedergelassenen Ärzten übernommen werden sollten.
"Dadurch könnten rund zehn Milliarden Euro perspektivisch im günstigsten Fall Milliarden pro Jahr gespart werden", sagte Gassen der "Bild". Die für 2024 angekündigte Beitragserhöhung könne damit ausfallen.
Gassen betonte darüber hinaus, bei ambulanten Behandlungen könnten Patienten unmittelbar nach den Eingriffen zurück in ihre gewohnte Umgebung. Dadurch könnten unter anderem auch Infektionen durch gefährliche Krankenhauskeime reduziert werden.
"Der Vorschlag klingt gut, ist aber völlig unrealistisch", sagte der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der "Bild"-Zeitung (Dienstagausgabe). "Schon heute müssen gesetzlich Versicherte viele Monate, zum Teil weit über ein halbes Jahr auf einen Termin beim Facharzt warten. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie sich dieser Zustand noch weiter verschlechtern würde, wenn jetzt noch zusätzlich Millionen von Patientinnen und Patienten aus den Krankenhäusern auf ambulante Operationen in den Arztpraxen warten müssten."
Die Krankenhäuser müssten sich in den kommenden Jahren ohnehin darauf einstellen, immer mehr Patienten ambulant zu behandeln, sagte Gaß. "Denn die Altersstruktur der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zeigt, dass in den kommenden Jahren viele Arztpraxen nicht mehr nachbesetzt werden können und damit die Versorgungslücken im ambulanten Bereich noch größer werden."
Rückendeckung bekamen die Kassenärzte aus der FDP-Bundestagsfraktion. "Im internationalen Vergleich haben wir überdurchschnittlich viele stationäre Behandlungen", erklärte Christine Aschenberg-Dugnus, die Gesundheitsexpertin der Fraktion. "Wir leisten uns also eine teure und ineffiziente Krankenhausversorgung, die an der falschen Stelle wichtige Ressourcen bindet."
Der FDP-Gesundheitspolitiker Andres Ullmann forderte das Bundesgesundheitsministerium auf, die Abrechnungsbedingungen für mehr ambulante Operationen bei Ärzten zu verbessern. Dabei müsse "daran gedacht werden, dass die niedergelassenen Praxen keine Investitionskosten durch die Länder bekommen, sondern Investitionen aus den eigenen Einnahmen stemmen müssen". Deswegen müsse das Abrechnungssystem "Investitionsanreize" für die niedergelassene Ärzteschaft schaffen.
(W.Budayev--DTZ)