Kaum noch freie Intensivbetten für Kinder - Grund vor allem Personalmangel
Notfallmediziner haben vor einer "katastrophalen Situation" in Kinderkliniken gewarnt. Auf den Kinderintensivstationen gebe es insgesamt nur noch 83 freie Betten - das seien 0,75 pro Klinik, teilte die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) am Donnerstag anlässlich eines Kongresses in Hamburg unter Berufung auf eine Ad-hoc-Umfrage mit. Grund sei vor allem Personalmangel.
Jede zweite Klinik habe berichtet, dass sie in den vergangenen 24 Stunden mindestens ein Kind nach Anfrage durch Rettungsdienst oder Notaufnahme nicht für die Kinderintensivmedizin habe annehmen können. "Diese Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr und wird auf dem Rücken kritisch kranker Kinder ausgetragen", erklärte Divi-Generalsekretär Florian Hoffmann.
Für die Umfrage wurden laut Divi 130 Kinderkliniken angeschrieben, 110 Häuser hätten ihre Daten vom Stichprobentag 24. November zur Verfügung gestellt. Diese hätten insgesamt 607 aufstellbare Betten, hieß es in der Mitteilung. Davon könnten aber nur 367 betrieben werden. Grund für die Sperrung so vieler Betten sei hauptsächlich der Personalmangel. Bei rund 80 Prozent der befragten Kliniken fehlten Pflegekräfte, teilweise fehlten auch Ärztinnen und Ärzte.
Besonders oft seien zuletzt Kinder aufgenommen worden, die sich mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) infiziert hätten, teilte die Divi weiter mit. Insgesamt seien es 138 Kinder. "Die RSV-Welle baut sich immer weiter auf und macht bei vielen Kindern die Behandlung mit Atemunterstützung notwendig", erklärte Divi-Kongresspräsident Sebastian Brenner. "Wir können Stand heute davon ausgehen, dass es zu dieser Behandlung nicht genügend Kinderintensivbetten gibt."
Den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Donnerstag sagte Hoffmann, der Höhepunkt der aktuellen Welle von Atemwegsinfektionen bei Kindern sei noch längst nicht erreicht. "Wir werden nicht mehr alle Kinder ausreichend behandeln können", warnte er. Überlastete Kinderkliniken suchten schon jetzt in einem Radius von mehr als hundert Kilometern nach freien Betten in anderen Städten. Viele Kinderkliniken verschöben alle nicht akut lebensnotwendigen Eingriffe.
Auch der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) rechnet mit einer weiteren Verschärfung der Infektionswelle. "Es fängt jetzt gerade erst richtig an, der Scheitelpunkt ist noch längst nicht erreicht", sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach den Funke-Zeitungen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Wir müssen damit rechnen, dass die RSV-Welle noch einige Tage ansteigt."
Auch auf den Normalstationen wird es laut Divi knapp: Von 110 Kinderkliniken hätten zuletzt 43 kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Die Divi fordert nun deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Es müsse Ausfallkonzepte geben, so dass geplante Freizeit auch frei bleibe. Zudem müssten Fortbildungen während der Arbeitszeit bezahlt werden. Pflegekräfte müssten von anderen Aufgaben entlastet werden und außerdem deutlich besser bezahlt werden.
Zudem will die Divi, dass Kinderkliniken dazu verpflichtet werden, Kinderpflegekräfte auszubilden. Es sollten telemedizinische Netzwerke und spezielle Kinderintensivtransportsysteme aufgebaut werden.
(S.A.Dudajev--DTZ)