Ärzte und Kliniken dringen auf Corona-Impfpflicht - Lauterbach zuversichtlich
Wenige Tage vor der entscheidenden Debatte im Bundestag haben Ärzte und Kliniken die zügige Einführung einer Impfpflicht gefordert. Andernfalls drohe eine neue Pandemie-Welle im Herbst, argumentierten unter anderem der Marburger Bund und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich zuversichtlich, dass die Impfpflicht kommt. Unterdessen gab es erneut Kritik am Auslaufen zahlreicher Corona-Schutzmaßnahmen an diesem Wochenende.
"Wenn es keine Mehrheit für eine Impfpflicht ab 18 Jahren gibt, brauchen wir zumindest eine Impfpflicht für alle ab 50 Jahren", sagte die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Samstagsausgaben). Damit die Nachweispflicht rechtzeitig gegen eine weitere Corona-Welle im Herbst wirken könne, dürfe sie auch nicht erst dann eingeführt werden.
"Ich mache mir große Sorgen, dass wir im Herbst in eine neue große Welle geraten und schon wieder ein Déjà-vu erleben", warnte Johna. Die Krankenhäuser könnten dann "wieder enormen Belastungen ausgesetzt" sein. Auch würden womöglich erneut umfangreiche Corona-Eindämmungsmaßnahmen notwendig.
Ähnlich äußerte sich DKG-Chef Gerald Gaß. "Wir haben uns klar für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen, denn nur eine möglichst hohe Impfquote wird uns aus der immer wiederkehrenden Gefahr herausholen, die Kliniken zu überlasten", sagte er den Funke-Zeitungen. "Ohne eine hohe Impfquote laufen wir Gefahr, dass sich in diesem Herbst das vergangene Jahr wiederholt und wir in die nächste Welle geraten."
Am Thema Impfpflicht scheiden sich derzeit die Geister. Am kommenden Donnerstag soll der Bundestag endgültig entscheiden, ob eine Impfpflicht gegen das Coronavirus kommt, für wen sie gelten soll und wie sie umgesetzt werden könnte. Allerdings war zuletzt unklar, welches der konkurrierenden Modelle mit einer Mehrheit im Bundestag rechnen kann. Auf dem Tisch liegen unter anderem Anträge für eine Impfpflicht ab 18 Jahren sowie ab 50 mit vorgeschalteter Beratungspflicht.
Lauterbach, der eine Impfpflicht ab 18 unterstützt, zeigte sich zuversichtlich: "Ich hoffe nach wie vor, dass das gelingt", sagte er im Deutschlandfunk. Es sei auch richtig gewesen, diese Frage in die Hände des Bundestags und der Fraktionen zu legen. Das werde "zum Schluss zum Erfolg führen".
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen sank unterdessen weiter und lag laut Robert Koch-Institut (RKI) am Samstag bei 1531,5. In seinem am Donnerstag veröffentlichten Wochenbericht hatte das RKI erklärt, dass der Höhepunkt der aktuellen Corona-Welle "wahrscheinlich erreicht" sei. Der "Infektionsdruck" und die absolute Zahl der täglichen Corona-Toten seien allerdings weiterhin sehr hoch.
Vor diesem Hintergrund bezeichnete der Patientenschützer Eugen Brysch das Wegfallen vieler Corona-Schutzmaßnahmen an diesem Wochenende als "fatal". Masken im Nahverkehr und beim Einkaufen "müssen bleiben" und auch andere Instrumente wie konsequentes Testen würden "leichtfertig dort aus der Hand gegeben, wo es die Hochrisikogruppe schützt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Auch geplante Quarantäne-Verkürzungen hält Brysch für gefährlich. Er kritisierte scharf, dass Beschäftigte in Heimen und Krankenhäusern trotz Infektion unter Umständen arbeiten dürfen. "Infizierte Menschen mit milden Symptomen zum Dienst aufzufordern ist Wahnsinn", sagte er.
Kritik an den Vorgaben für Schulen kam zudem von der Lehrergewerkschaft GEW. "Die Politik lässt die Schulen und damit Lehrkräfte, Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern mit dem Ende der Maskenpflicht allein", sagte GEW-Chefin Maike Finnern dem RND. Die Politik erkläre den Gesundheitsschutz für beendet - "das ist verantwortungslos".
(V.Sørensen--DTZ)