Untersuchung: Missbrauchsvorwürfe gegen Opernstar Plácido Domingo "glaubwürdig"
Eine Untersuchung im Auftrag der Oper von Los Angeles hat die Belästigungsvorwürfe gegen Opernstar Plácido Domingo als "glaubwürdig" beurteilt. Auch wenn die befragten Frauen über unterschiedliche Grade "unangemessenen Verhaltens" des Spaniers berichtet hätten, stimmten ihre Berichte im Wesentlichen überein, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Untersuchungsbericht. Demnach gibt es aber keine Belege, dass der 79-Jährige sexuelle Handlungen als Gegenleistung für Rollen verlangte.
Einige der Frauen hätten starke "Traumatisierungen" durch die Vorfälle geschildert, heißt es in dem Bericht der unabhängigen Kanzlei Gibson, Dunn & Crutcher LLP im Auftrag der Oper von Los Angeles. Andere hätten hingegen ausgesagt, sie hätten sich durch Domingos Verhalten "nicht unwohl" gefühlt.
Die Kanzlei hatte 44 Menschen zu Domingos sexuellem Fehlverhalten befragt, darunter den Sänger selbst. Sie untersuchte verschiedene Fälle in einem Zeitraum von mehr als drei Jahrzehnten - von 1986, als der Spanier künstlerischer Berater der Oper wurde, bis zu seinem Rücktritt als Generaldirektor im Oktober.
Domingo bestritt dem Bericht zufolge bei seiner Befragung jegliches aggressives Verhalten gegenüber Frauen. Er versicherte demnach, alle seine Beziehungen zu Frauen seien im gegenseitigen Einvernehmen abgelaufen. Allerdings hätten seine Aussagen in einigen Punkten "weniger glaubwürdig" gewirkt oder seien unklar gewesen, erklärte die Kanzlei. Domingos Sprecher wollte sich zunächst nicht zu der Untersuchung äußern.
Nach monatelangem Leugnen hatte Domingo Ende Februar erstmals sexuelles Fehlverhalten eingeräumt und sich bei seinen Opfern entschuldigt. In einer kurz nach dieser Entschuldigung nachgereichten Erklärung betonte er aber, sich "nie aggressiv gegenüber irgendjemandem verhalten" oder etwas getan zu haben, um "die Karriere von irgendjemandem zu behindern".
Die US-Nachrichtenagentur Associated Press hatte im August Vorwürfe der sexuellen Übergriffe gegen den gefeierten Opernsänger publik gemacht. Rund 20 Frauen werfen ihm vor, ihnen Küsse aufgezwungen, sie begrapscht oder ohne ihr Einverständnis gestreichelt zu haben.
In dem jetzigen Untersuchungsbericht aus Los Angeles heißt es, einige der Frauen hätten ausgesagt, deshalb so lange über die mutmaßlichen Übergriffe geschwiegen zu haben, weil Domingo einen solch großen "Einfluss" gehabt habe. Auch in einem separaten Bericht der US-Musikergewerkschaft American Guild of Musical Artists hatte es geheißen, einige Frauen hätten Angst vor Repressalien gehabt, wenn sie Domingos sexuelles Fehlverhalten angeprangert hätten.
Dafür, dass Domingo sexuelle Handlungen zur Voraussetzung für die Vergabe einer Rolle oder andere berufliche Vorteile machte, fand Gibson, Dunn & Crutcher LLP aber keine Hinweise. Der Oper von Los Angeles bescheinigt die Kanzlei, es gebe keine Anhaltspunkte, dass sie Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs ignoriert oder vertuscht habe. Allerdings seien die Maßnahmen des Opernhauses gegen Missbrauch bis zum Aufkommen der #MeToo-Bewegung 2018 "weitgehend reaktiv" gewesen.
Die Oper kündigte an, einige Verbesserungsvorschläge der Kanzlei umzusetzen, etwa die Einführung eines formalen Verfahrens zur Aufnahme von Beschwerden.
Die Anschuldigungen gegen Domingo haben vor allem seiner Karriere in den USA geschadet. So sah er sich gezwungen, alle seine Auftritte an der New Yorker Met abzusagen. Auch Konzerte des Spaniers in Philadelphia, San Francisco und Dallas wurden gestrichen. Nach seinem Schuldeingeständnis wurden aber auch Auftritte Domingos in Spanien sowie an der Royal Opera in London abgesagt.
Der Spanier wurde als Mitglied der drei Tenöre weltberühmt, zu denen Luciano Pavarotti und José Carreras gehörten. Mittlerweile singt er als Bariton.
(N.Loginovsky--DTZ)