Entsetzen in Großbritannien nach Fund von 39 Leichen in Lastwagen
Der Fund von 39 Leichen in einem Kühllastwagen hat in Großbritannien Entsetzen ausgelöst. Das Fahrzeug mit bulgarischen Kennzeichen wurde in der Nacht zum Mittwoch in einem Industriegebiet in Grays östlich von London entdeckt, wie die Polizei in der ostenglischen Grafschaft Essex mitteilte. Der Fahrer, ein 25-Jähriger aus Nordirland, wurde wegen Mordverdachts festgenommen.
Bei den Toten handelt es sich nach ersten Erkenntnissen um 38 Erwachsene und einen Jugendlichen. Der Polizeichef von Essex, Andrew Mariner, sprach von einem "tragischen Vorfall, bei dem eine große Zahl von Menschen ihr Leben verloren hat". Alle Opfer seien noch vor Ort für tot erklärt worden. Es werde dauern, bis die Leichen identifiziert seien. Der Fundort in dem Industriegebiet wurde weiträumig abgesperrt.
Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von einer "unvorstellbaren Tragödie" und sprach den Familien der Toten sein Beileid aus. Schlepper müssten "gejagt und zur Verantwortung gezogen werden", betonte der Regierungschef. Die britische Innenministerin Prati Patel zeigte sich "schockiert und traurig über diesen absolut tragischen Vorfall". Seit Jahren versuchen immer wieder Flüchtlinge, heimlich nach Großbritannien zu kommen. Oft verstecken sie sich dabei in Lkws.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich "tief erschüttert" über das Schicksal der 39 Menschen, die "in einen LKW eingepfercht qualvoll den Tod gefunden haben", wie Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin sagte. Er sicherte den britischen Behörden die "volle Unterstützung" Deutschlands bei der Aufklärung zu.
Rettungskräfte hatten den Lastwagen nach Angaben der Polizei gegen 01.40 Uhr Ortszeit (02.40 Uhr MESZ) im Waterglade-Industriegebiet in Grays entdeckt und die Polizei verständigt. Der Lastwagen war nach Angaben der Polizei mutmaßlich vom belgischen Hafen Seebrügge aus ins britische Purfleet gelangt. Im Hafen von Purfleet sei er in der Nacht zu Mittwoch gegen 01.30 Uhr MESZ eingetroffen.
Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow sagte, es bestehe keine Verbindung zwischen dem Vorfall und seinem Land außer dem bulgarischen Fahrzeugkennzeichen. Der Lastwagen sei im Jahr 2017 von einem Iren angemeldet worden.
Der Chef des britischen Lastwagenfahrer-Verbands, Richard Burnett, sagte, der Vorfall zeige die "Gefahr" des Menschenschmuggels in Lastwagen auf. "Menschenschmuggel ist ein abscheuliches und gefährliches Geschäft", erklärte auch die Abgeordnete Jackie Doyle-Price aus dem Wahlkreis Thurrock, zu dem auch Grays gehört: "39 Menschen in einen abgeschlossenen Metallcontainer zu stecken, zeigt eine bösartige Missachtung von Menschenleben."
Im Jahr 2014 hatte Hafenarbeiter im Hafen von Tilbury unweit von Grays einen Schiffscontainer geöffnet, nachdem sie lautes Klopfen und Hilfeschreie gehört hatten. In dem Container fanden sie 34 Afghanen und die Leiche eines Mannes, der die Überfahrt von Belgien nach England nicht überlebt hatte. Im Jahr 2000 wurden in einem niederländischen Lkw im englischen Hafen von Dover die Leichen von 58 illegalen Einwanderern aus China entdeckt. Zwei Menschen überlebgen.
Im August 2015 sorgte der Fund von 71 erstickten Flüchtlingen in einem Lastwagen in Österreich weltweit für Entsetzen. Die Menschen, die aus Syrien, dem Irak und Afghanistan stammten, waren von Schleppern an der serbisch-ungarischen Grenze in den Kühlwagen gepfercht und schließlich an einer Autobahn im Burgenland zurückgelassen worden. Im Juni verurteilte ein ungarisches Gericht vier Schlepper zu lebenslanger Haft.
(O.Tatarinov--DTZ)