Handke will Literaturnobelpreis "selbstverständlich" selbst entgegennehmen
Der österreichische Schriftsteller Peter Handke, der sich früher extrem abfällig über den Literaturnobelpreis geäußert hatte, hat seine Ansicht inzwischen geändert: Er werde den Literaturnobelpreis für das Jahr 2019, der ihm am Donnerstag zugesprochen wurde, im Dezember "selbstverständlich" selbst entgegennehmen, sagte Handke an seinem Wohnsitz in Chaville zwischen Paris und Versailles. 2014 hatte Handke gefordert, der Literaturnobelpreis müsse "endlich" abgeschafft werden, weil er dem Leser "nichts" bringe und eine "falsche Heiligsprechung" sei.
Er habe damals "als Leser und nicht als Autor gesprochen", sagte Handke. "Heute denke ich nicht so." Es sei eine "sehr mutige" Entscheidung der Schwedischen Akademie, ihm den Literaturnobelpreis zu verleihen. Angesichts der öffentlichen Auseinandersetzungen über seine Ansichten habe er "niemals gedacht, dass sie mich auswählen würden".
Der österreichischen Nachrichtenagentur APA sagte Handke, er sei nach der telefonischen Nachricht von der Preisverleihung an ihn zunächst vier Stunden im Wald spazieren gegangen, wie er es ohnehin vorhatte. Für den Abend sei keine Feier geplant, sagte Handke. "Ich hab’ keine Freunde mehr hier in Paris." Er werde vielleicht mit seiner Frau "in ein kleines Restaurant gehen".
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigte Handke als "einen der wichtigsten zeitgenössischen deutschsprachigen Autoren". Er habe sich "nie dem Zeitgeist unterworfen", sondern sei "immer unbequem geblieben".
In Bosnien-Herzegowina und im Kosovo rief die Auszeichnung Handkes zum Teil Empörung hervor. Der bosnische Schauspieler Nermin Tulic, der während der Belagerung von Sarajevo (1992-95) schwer verletzt wurde, twitterte einen Smiley, der sich übergibt.
Ein Professor für internationale Beziehungen bezeichnete Handke als einen "notorischen Völkermord-Leugner". Handke hatte sich im Zusammenhang mit den Konflikten auf dem Balkan wiederholt auf die Seite der Serben gestellt und bei der Beisetzung des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic 2006 vor tausenden Trauergästen eine Rede gehalten.
Die polnische Schriftstellerin Olga Tokarczuk, die den Literaturnobelpreis für das Jahr 2018 erhält, bezeichnete die Entscheidungen der Schwedischen Akademie als "sehr wichtige Auszeichnung für Mitteleuropa". Handke sei ihr "Lieblingsschriftsteller", sagte Tokarczuk der Nachrichtenagentur AFP, während sie zu einer Lesung im westfälischen Bielefeld unterwegs war. Ihre Bücher seien auf "kleine Gemeinschaften in Polen" und damit auf ein "kleines Stück Welt" bezogen. Sie könnten aber "als universelle Geschichten gelesen werden", die für alle Menschen wichtig seien.
Der polnische Kulturminister Piotr Glinski, der noch am Montag gesagt hatte, ihm sei es "nie gelungen", ein Buch von Tokarczuk zu Ende zu lesen, teilte via Twitter mit, er wolle dies nun nachholen. EU-Ratspräsident Donald Tusk versicherte, er sei ein "treuer Leser" Tokarczuks und habe von ihr "alles gelesen". Tokarczuk sagte, ihre Bücher könnten sich für bestimmte Leser als "langweilig" erweisen. Es gebe keine Verpflichtung, dass jeder ihre Werke lesen müsse.
(Y.Leyard--DTZ)